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  • marenghi

mehr als 1000 Beiträge seit 03.12.2020

Meta-Gedanken und Nobelpreis

Das Problem "Klimakrise und Energiewende" hat (mind) zwei miteinander verbundene Eigenschaften, wegen der die Lösung sich so schwierig gestaltet:

- Die Wahl besteht (vermeintlich) nur zwischen verschiedenen Verschlechterungen.

- Die Probleme der Klimakrise liegen verstärkt in der Zukunft, die Energiewende in der Gegenwart.

Jetzt gibt es genau für diese Konstellation eine sehr schöne Theorie, u.a. derentwegen Kahneman (und Tversky) 2002 (als Psychologen) sensationell den Wirtschafts-Nobelpreis bekommen haben: Die Prospect-Theorie (die die traditionelle Erwartungswerttheorie je nach Ansicht verworfen oder modifiziert hat).

Und hier die wichtigste Grafik daraus: https://de.wikipedia.org/wiki/Prospect_Theory#/media/Datei:Loss_Aversion.png

Sie konnte zeigen, dass Menschen
a) verlustaversiv sind: Der Betrag des "value" auf der y-Achse ist für den gleichen Betrag des Gewinns/Verlustes größer für den Verlust, und
b) die Zukunft "abwerten". Bei größer werdenden Gewinn bzw Verlust steigt der subjektive Wert nicht linear an, sondern verflacht.

D.h., Menschen reagieren nach dem Motto "lieber jetzt keinen Spatz verlieren ...auch wenn mich dann später die Taube in Grund und Boden scheißt".

Es hat einen Grund, warum Menschen das tun: Evolutionär machte es Sinn, in einem prekären Überlebenskampf jeglichen Verlust zu vermeiden. Und es machte aus dem gleichen Grund Sinn, die Zukunft zu diskontieren: Weil Gewinne jetzt einstreichen und Verluste jetzt zu vermeiden überhaupt erst ermöglicht haben, eine Zukunft zu erleben.

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Man sieht jetzt sehr schön einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur Klimakrise und Energiewende.

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Was bei dieser noch dazu kommt, ist, dass der Zeitrahmen so groß ist, dass es nicht nur um sich selbst geht, sondern um die nächsten Generationen. Evolutionär will man zwar seine Gene weitergeben, die schließlich in den Kindern überleben - und deshalb auch ihnen helfen. Möglicherweise ist das aber nicht mehr so stark wie früher, sowohl privat als auch gesellschaftlich die Devise "mehret euch" nicht mehr die höchste Priorität.

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Eine Paradelösung habe ich auch nicht. Es mag schon a bissel helfen, dass man Bescheid weiß über die eigenen Denkmechanismen.
Insofern ist auch der Artikel in der Stoßrichtung gar nicht schlecht: darstellen, was möglich ist, nicht, welche schlimmen Dinge soundso passieren können (das haben wir jetzt alle schon zig Mal gehört).
Den Verlust durch die In-Aussicht-Stellung von Gewinnen abmildern: Arbeitsplätze bei de r Energiewende, komfortables Wohnen nach Dämmung, bessere Luft und weniger Lärm durch E-Autos. Und Spaß: Tesla hat keine Marktanteile bekommen dafür, dass sie das kleinstmöglichste, kleinstmotorisierte, umweltfreundlichste E-Auto zuerst auf den Markt brachten. Sondern quasi eine neue Technologie mit Digital-Pipapo plus für das brachiale Beschleunigungsvermögen noch günstigeren Preis als Verbrenner herauszubringen.

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