Die Debatte um eine (Wieder-)einführung der Wehrpflicht finde ich nicht sonderlich überraschend.
Der Treiber dafür ist aber weniger die Bundeswehr. Die Entscheidungsträger in der Bw wissen ganz genau, dass es für die breite Ausbildung von Soldaten an allen Ecken fehlt. Standorte wurden geschlossen, Material ausgesondert und Ausbildungskapazitäten sind nicht vorhanden. An diesem Zustand wird sich in den nächsten 24 Monaten (und das ist sehr optimistisch geschätzt) wenig ändern. Die Rekrutierungsziele der Bw waren immer illusorisch. Ich meine man hätte teilweise 25% der Schulabgänger gebraucht um diese zu erhalten.
Was wir hier sehen ist IMO eher die Situation, dass der Staat im "Kampf um Personal" an Boden verliert. Welche Organisation im Öffentlichen Dienst beklebt ihren Fuhrpark im Augenblick nicht mit Werbung zur Personalgewinnung. Das Problem ist: Viele der beworbenen Jobs sind eben nicht besonders attraktiv. Zeitsoldat im Dienstgrad der Mannschaften? Dazu muss man schon wirklich keine Chance haben oder an massiver Langeweile leiden.
Also zieht der Staat die letzte Karte, die ihm gegenüber privaten Arbeitgebern bleibt: Zwang.
Ich persönlich glaube, es geht hier weniger um die Bundeswehr als um den sich abzeichnenden demographischen Wandel (Pflegenotstand und Co.). Mit Migration ist die Aufgabe nicht mehr zu stemmen und die Staatskassen werden in den nächsten Jahren auch nicht mehr voller werden. IMO passen sogar die Erleichterungen im Einbürgerungsrecht in diese Entwicklung (und werden von der Zielgruppe übrigens erkannt!).
Gerade im Hinblick auf den Ukrainekonflikt ergibt sich noch ein ganz anderes Problem. Die heutige Bw ist in der Öffentlichkeit eigentlich nicht mehr vorhanden. Genau diese Schattenarmee wollte man ja auch für "out-of-area"-Einsätze haben. Dem Durchschnittsbürger ist es auch altersbedingt recht egal, was die Bundeswehr macht oder nicht macht. Es war in den letzten 20 Jahren schlicht bedeutungslos. Die Wiedereinführung einer Wehrpflicht könnte an diesem Status quo schnell mehr ändern als den Befürwortern lieb ist. Wenn es plötzlich an Söhne, Enkel, Nichten und Neffen geht kann sich die Stimmung schnell ändern.
In konservativen Kreisen wird die Wehrpflicht traditionell zudem gerne als "Schule der Nation" gesehen - quasi die Universalwaffe um sämtliche Deintegrationsprobleme der Gesellschaft zu lösen - als wenn da mit 20 noch viel zu machen wäre. Zudem natürlich auch politischer Aktionismus.