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mehr als 1000 Beiträge seit 10.10.2000

13 Jahre?

Wohl kaum. Das extrem rückständige "Deutschland" hatte es sogar nötig, als Motivation für die politische Einigung einen Krieg mit Frankreich vom Zaun zu brechen, und hat es selbst dann nicht geschafft, das Ancién Regime vollständig abzuschütteln, sondern sah sich genötigt, einen absolutistischen "Kaiser" zu etablieren - zu derselben Zeit, wo sie seinen französischen Amtskollegen endgültig zum Abdanken zwangen.
Dieser Konstruktionsfehler der deutschen Staatswerdung mit ihren antidemokratischen Motiven legte die Wurzeln für das Elend, das im 20. Jahrhundert darauf folgen sollte.
Die politische Einheit war ein Traum des deutschen Bürgertums, das für die aufstrebende Industrialisierung und um nicht den Anschluss an Grossbritannien nicht zu verlieren, diverse Probleme lösen musste. Dazu gehörten: Die Überwindung des antiquierten Feudalismus mit seiner Kleinstaaterei und den tausenden von Zollgrenzen, die industrielle Produktionsmethoden und die politische Machtübernahme des Grossbürgertums verhinderten, der Erwerb eines Kolonialreichs um der deutschen Industrie ähnliche Absatzmärkte und Rohstoffquellen zu erschliessen wie den anderen europäischen Industriellen, und die Niederhaltung der deutschen Arbeiterklasse, da man ja schon in England und Frankreich beobachten konnte, dass diese in Gegensatz zum Bürgertum geraten, sobald das Bürgertum die politische Macht vom Adel erobert. In Deutschland hat sich also das Grossbürgertum mehr oder weniger mit dem Adel verbündet, um ein System zu schaffen, dass gerade so fortschrittlich wie unbedingt nötig war, um dem Bürgertum zum industriellen Durchbruch zu verhelfen, aber so reaktionär wie möglich, um das Volk unter Kontrolle zu halten. Zu diesem Zweck ergab es sich, als Fundierung eines Staatspatriotismus den Nationalismus extrem zu verstärken. Der rasante Aufstieg des Bürgertums lässt sich heute noch an den zahlreichen Gründerzeitdenkmälern mit ihrer Verherrlichung der neuen autoritären Machtstrukturen und des Nationalmythos ablesen. Der deutsche Nationalstolz ist also der etwas peinlich zur Schau getragene trotzige Stolz der Zuspätgekommenen, der Neureichen, eine Überkompensation der Agonie des gescheiterten Gebildes, das "Deutschland" zwischen der Katastrophe von 1618/48 und der gewaltsamen Neugründung von 1871 war, wenn man das mal als die selbe Entität begreift. Dieser irrationale Neunationalismus des ranzigen anachronistischen deutschen grossbürgerlichen Staatsgebildes macht dann später Hitler erst möglich.

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