Zwei mal hatte die Linke mit Gysi als Spitzenkandidat die Chance, Teil einer regierenden Koalition zu sein. Wenn Gysi damals auch seine primäre Aufgabe darin gesehen hat, "die Interessen derjenigen aus der DDR vertreten, die die Einheit nicht wollten" dann ist es wenig erstaunlich, dass die anderen Parteien die Linke nicht als koalitionsfähig angesehen haben.
Auch sein Statement "Derweil haben wir uns vor allem auf Hartz-IV-Empfänger konzentriert, auf Obdachlose und Flüchtlinge. Das ist alles berechtigt. Aber wir müssen uns bewusst machen, dass der Kern der Interessenvertretung bei den Arbeitnehmern liegt." lässt aufhorchen. Denn natürlicherweise ist eine Interessenvertretung der "Hartz-IV-Empfänger" auch eine Stärkung der Arbeitnehmer, das schließt sich nicht aus, im Gegenteil, das eine geht ohne das andere nicht. Am Thema Flüchtlinge hat sich wenn ich mich noch recht entsinne, damals der Streit mit Wagenknecht entzündet.
Ob die Linke als "bessere SPD" plus "bessere Grüne" eine Chance hat ... nun, die Linken haben es bei Corona ja versucht. Totalausfall als Opposition, die FDP kritischer als die Linke. Die Quittung gab's bei der Wahl.
Letztlich macht das Interview den Rückzug von Wagenknecht aus der Parteispitze verständlich. Rückhalt hat sie damals nicht gehabt, von Gysi schon gar nicht. Und offenbar ebenso wenig von der Fraktion der alten "wichtigen Mitglieder", die Gysi zu vertreten meint. Dass er mit 75 Jahren auf der Uhr und drei Herzinfarkten und vielerlei Nebentätigkeiten (https://taz.de/Nebenjobs-von-Abgeordneten/!5927448/) sich nicht noch zusätzlich Parteiämter aufbürden mag, versteht sich wohl auch.
Was die Gründung einer neuen Partei angeht, hat Gysi ja durchaus Erfahrungen aus erster Hand, grade was Finanzierung und Organisation angeht. Auch wenn man sich anderes wünscht, Gysi's Einschätzung dazu ist wohl nicht ganz unrealistisch.
Aber schwierig heißt ja nun nicht unmöglich.