kjdfglhjsdfgasdjfh schrieb am 28.07.2023 07:38:
Weil wir es seit 30 Jahren scheiße behandeln, es als ausbeutbares Ressourcenlager und Quelle von ausbeutbaren Menschen betrachteten.
Das sind nicht wir gewesen, sondern die russischen Oligarchen. Vereint unter Putin hat jeder sein Territorium abgesteckt bekommen und konnte sich weitgehend unbeeinflusst bereichern. Keine bedeutendes russisches Unternehmen befand sich vor dem Krieg in westlicher Hand.
Tatsächlich ist - zumindest aus deutscher Sicht das Gegenteil der Fall: Wir haben den bereits vor 1990 existierenden Ressourcenhandel im Kooperation mit Putins Regierung drastisch ausgeweitet. NordStream war eine gleichberchtigte Koop der deutschen Industrie und des russischen Oligarchenstaats.
Weil wir seit 30 Jahren auf vernünftige und nachvollziehbare russische Forderungen und Interessen bestenfalls mit Spott und Hohn reagieren.
Auch das ist eine absurde Verzerrung der Realität. Die letzten signifikanten Erweiterungen der NATO fanden 1999 bzw. 2004 statt. Dazwischen wurde der NATO-Russlandrat gegründet. Putin hatte in der Zeit zwischen 2002 und 2005 bei verschiedenen Gelegenheiten öffentlich bekundet, dass die NATO-Osterweiterung kein Problem für Russland darstellen würde.
Das diese Geschichte aus moskauer Perspektive nun völlig anders dargestellt wird, hat in Russland eine lange Tradition. Bereits zu Sowjetzeiten wurden andauernd bestehende Verträge neu geschrieben und sogar unliebsame Personen aus Photos herausretouchiert, um die offizielle Geschichte im Sinne der jeweils aktuellen Herrscher anzupassen.
Die Wahrheit ist, dass Putins Leistung nach Amtsantritt nur darin bestand, das kriminelle Oligarchenregime auszugleichen und dem Anschein nach einem gewissen Grad an Staatlichkeit zu unterwerfen. Das ging bis 2013 halbwegs gut. Danach entspann sich eine unverholene Gier auf neue (alte) Territorien, z.B. Georgien, Transnistrien oder eben der Ukraine. Prigoschin hatte diese Zusammenhänge kurz vor seinem Putsch in dem bekannten Teetassen-Video erläutert.
Weil die "liberalen Kräfte", die wir unterstützen, meist ein isolierter Haufen Extremisten und Korrupties ist (z.B. Navalny) ohne Rückhalt im Land.
Weil wir mit "Dekolonialisierung" drohen und Zerschlagung. Usw.
Wer hat Russland mit "Dekolonialisierung und Zerschlagung" gedroht?
Es war vielmehr die zunehmend repressive russische Staatsführung, die jede liberale Bewegung im Land zerstört oder mit der Staatsführung gleichgeschaltet hat. Für mich hervorstechenstes Beispiel ist die Schließung von Memorial, der einzigen unabhängigen Organisation, die die Verbrechen des Stalinismus aufgearbeitet haben. Mit diesem Schritt wurde die Rehabilitierung des Stalinismus praktisch zur neuen Staatsdoktrin.
Mit anderen Worten: wir haben Russland "verloren", weil das ein Land ist, dass stark genug ist, sich nicht von uns zum Bückstück machen lassen zu müssen und wir niemals versucht haben, ein gutes/vernünftiges Verhältnis zu Russland aufzubauen.
Beides ist alberner Quatsch. Russlands BIP liegt zwischen dem von Spanien und Italien und nur knapp über dem von Brasilien. Die Stärke des Landes besteht nur aus seinem großen, weitgehend unbesiedelten Territorium, den damit verbundenen Naturressourcen und dem nuklearen Erbe der Sowjetunion. Wie Helmut Schmidt einst sagte: Obervolta mit Atomwaffen.
Wir hatten Russland niemals als Freund gewonnen und konnten es also nie verlieren.
Was daran lag, dass Russland niemals bereit war, einen Ausgleich mit seinen einst unterdrückten Nachbarn zu suchen. Insbesondere Polen kann man deren Misstrauen gegenüber Russland wahrlich nicht übel nehmen. Die wurden in ihrer Vergangenheit gleich mehrmals von den Russen verarscht. Deutschland hat sich um Ausgleich mit Polen bemüht. Russland tat das nicht.
Und jetzt kommst Du und tischt erneut die Mär vom beleidigten Russen auf, der nicht versteht, warum alle anderen nicht seine eigene Großartigkeit anerkennen. Das ist einfach nur lachhaft.
Anfang der 2000er hatte ich tatsächlich die Hoffnung, Russland würde sich um Ausgleich bemühen und sich seinen westlichen Nachbarn annähern. Aber der ständig präsente Nationalismus und die eigene Hybris ließen sich offenkundig nicht überwinden und Putin hat sich irgendwann an die Spitze der Bewegung gesetzt.
Flinx