Die Frage 'Haben wir Russland verloren?' halte ich für problematisch, weil sie einerseits ein 'wir' unterstellt, andererseits auch davon ausgeht es irgendwie mal gehabt zu haben.
Mein Eindruck ist, dass Russland nicht dafür kritisiert wird, was es jetzt ist, sondern von einer großen Mehrheit vor allem im Westen dafür, was es mal war, bzw. immer noch ist. Es wurde ein gut abgehangenes Weltbild vom Russen als Feind nie aufgegeben, sondern einfach weitergeführt und jetzt wiederbelebt. Unter völliger Ignoranz dessen übrigens, wer zu Sowjetzeiten dort geherrscht hat und wer jetzt herrscht.
Dieses Weltbild erklärt die Vehemenz, mit der Russland für seinen ja tatsächlich verachtenswerten Krieg in der Ukraine bekämpft wird. Nicht die Tat an sich steht im Vordergrund, sondern dass sie von Russland kommt. Eine gewisse Parallele zu der Beurteilung der amerikanischen Kriege ist hier sicher kein Zufall.
Dabei ist es doch gar nicht so schwer vom hier und heute und vom Völkerrecht und zivilisatorischen Grundsätzen auszugehen:
- Russland hat sich aus der Ukraine zurückzuziehen
- Die russische Regierung gehört bestraft
- Es sind Reparationen zu zahlen
Das alles unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Eine Durchsetzung der Gerechtigkeit, die die meisten Betroffenen nicht überleben, hat mit Gerechtigkeit nichts mehr zu tun, sondern eher mit Rache.