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  • Ignoramus-et-Ignorabimus

mehr als 1000 Beiträge seit 07.11.2017

Kommt drauf an

So eindeutig lässt sich die Frage aus der Artikelüberschrift wohl nicht beantworten. Das hängt zu einem guten Teil ja davon ab, was man denn eigentlich unter Russland verstehen will. Russland ist kein Organismus, sondern zunächst mal ein eher inhaltsleerer Begriff, den man erst in einen Kontext stellen muss, um ihn inhaltlich zu machen. Sonst kommt's zu grossen Missversständnissen. Und manchmal scheinen die ja auch gewollt zu sein.

Etwa indem man die russische Politik und das politische System mit der russischen Gesellschaft und der russischen Bevölkerung gleichsetzt, wenn man von Russland spricht. Diese Form der begrifflichen Geiselhaft für die russische Bevölkerung verwendet ja auch die politische Führung in Russland gerne. Ebenso wie deren propagandistisches Narrativ von der 'Russophobie', bei der die Kritik an der politischen Führung und ihren Untaten, mit einer Ablehnung der russischen Bevölkerung gleichgesetzt wird.

Haben wir also Russland verloren ? Wenn man damit die politische Führung, und deren autokratisch nepotistisches System meint, ist die Frage klar zu verneinen. Die hat und hatte nie den Anspruch und den Wunsch Teil eines gemeinsamen Europas zu sein. Im Gegenteil, um ihre Macht zu etablieren und zu zementieren bewegte sie sich von Beginn an weg von den in der Charta von Paris vereinbarten gemeinsamen Grundsätzen. Zuerst eher vorsichtig, je gefestigter das System wurde, immer offensiver.

Wenn man mit Russland aber die russischen Gesellschaft und die russische Bevölkerung meint, dann sehe ich das nicht so eindeutig. Es gibt im Moment wenig Möglichkeiten für die russische Gesellschaft sich in Russland zu äussern. Ist doch die Zivilgesellschaft weitgehend gleichgeschaltet, im Exil oder im Lager.

Wenn man andererseits aber in Betracht zieht, dass Menschen und ihre Einstellung sich nicht deshalb ändern, weil man ihnen deren Äusserung verbietet und ihre Handlungsfähigkeit beschränkt, dann sehe ich da durchaus auch ein Stück weit Hoffnung.

Die russische Gesellschaft ist wie jede andere nicht homogen, und vermutlich wird durch den von Putin vom Zaun gebrochenen Krieg auch die Polarisierung innerhalb der russischen Gesellschaft zunehmen. Aber es wird auch nach diesem Krieg Teile der russischen Gesellschaft geben, die ein Interesse an einem gemeinsamen Europa haben wird.

Ob sie allerdings in einem politishen System und mit einer politischen Führung leben werden, die dies zulässt. Das steht in den Sternen, und das können wir auch nicht beeinflussen.

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