Vorweg - inhaltlich soll hier keine Kritik geäussert werden, im Gegenteil, weiter denken tut Not.
Formal dennoch - es handelt sich um schwere Kost, die mehr Konkretion bedarf. Einige illustrierende Beispiele würden das Verstehen erleichtern.
Dieselbe Dichotomie - Form und Inhalt - liegt auch der geschilderten Problematik zugrunde. In verkürzender Form lässt sich sagen, dass die bürgerliche Weltanschauung stark dazu tendiert, jeden gesellschaftlichen Verkehr auf seine Form zu verkürzen und die inhaltlichen Aspekte zu vernachlässigen. Der stets 'rational' handelnde homo oeconomicus ist der bürgerliche Homunkulus par excellence. Bei seiner Rationalität handelt es sich um eine rein formale, auf sozusagen rechnerischen Vorteil bedachte. Dass Menschen z. B. Erwerbsarbeit in der Realität nicht ausschliesslich nach ihrer Bezahlung bewerten, sondern etwa auch nach ihrer subjektiven und objektiven Sinnhaftigkeit fällt ausser Betracht.
Gerade die neoliberale Radikalisierung des Kapitalismus, des dem Bürgertum angemessenen ökonomischen Systems, die in den letzten Jahrzehnten die Lebenswelt buchstäblich umgepflügt hat, trägt in ihrer stets fortschreitenden Monetarisierung immer weiterer Bereiche zur Beförderung dessen bei, was Creydt in seinem Essay herausarbeitet. Das Mass an Gleichgültigkeit nimmt zu, damit auch der 'exaggerierte Subjektivismus' und, dies wohl der entscheidene Parameter, das Vertrauen ab.
Es scheint mir die zentrale Aussage Creydts zu sein - ohne Vertrauen -nicht blindes - funktioniert auch eine durchmonetarisierte moderne Gesellschaft nicht. Im Gegenteil, die technologischen Fortschritte erhöhen den Bedarf daran ständig, da hilft auch die ständige Beschwörung von 'Transparenz' und die Schaffung weiterer Kontrollorgane nicht weiter, sondern erhöht bloss die Menge der Fallstricke.
Konkret gehören Medien in vielen Staaten zu den passioniertesten Vertrauensvernichtern. Ihr Werkzeug ist extreme Personalisierung und damit Moralisierung aller Vorgänge, was die strukturellen Hintergründe verlässlich verschleiert. Die von ihnen eingenommene, wie eine Monstranz vor sich hergetragene Aufklärerrolle, in Wirklichkeit reaktionäre Attitüde, des hinter die Fassade-Schauens, des Aufdeckens einer verruchten, eigentlichen Welt, Hinterwelt, bricht alles auf individuelles moralisches Versagen herunter, bestätigt einseitig, der Mensch sei dem Mensch ein Wolf, trau schau wem.
In einer seltsamen Dialektik sind es die Misstrauischsten, denen man die grössten Bären aufbinden kann. Der soziale Kitt bröckelt, die Gesellschaft wird dysfunktional, Thatchers Behauptung, es gebe gar keine, entpuppt sich als tendenziell selbsterfüllende.