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  • lucia

562 Beiträge seit 04.12.2023

Re: "...weil Hauptsache Arbeit..."

Haschpappi schrieb am 31.12.2023 13:15:

Vieles von dem was Du aufgelistet hast habe ich in den zurückliegenden 30 Jahren schon am eigenen Leibe erlebt. Mehrmals habe ich mich auf ausgeschribene Vollzeitstellen beworben und beim Gespräch erlebt wie diese Stellen plötzlich nur noch Teilzeitstellen oder Minijobs waren - die Vollzeitstelle war nur der Köder.

....verstehe. Und hinterher wird dann sich ( politischerseits) 'gewundert' , daß Deutschland-
dieses reiche Land, so viel Armutsrenter hat, die im Alter auf Zuzahlungen zu ihrer Rente angewiesen sind - wie soll ein Mensch von Minijobs gut leben können- wie für sein Alter vorsorgen können. Nützt nur den Ausbeutern. Der Politik scheint das jahrzehntelang komplett wurscht gewesen zu sein. Man hat ein "C"und (oder nur) ein "S" im Partei-Namen
aber von einem wirklichen Teilen ist genausowenig da wie von sozial-> (sieht man ja daran wie die Löhne und die Arbeitsüberlastung in den sozialen Dienstleistungesberufen ausschauen aber 'es gab ja immerhin Applaus' hahaha klar...:( )

Zwei Arbeitgeber haben über die Bundesarbeitsangentur Stellen ausgeschrieben und mir dann - ganz frech - eine Schwarzarbeit angeboten; die Behörde hat das nicht interessiert. Ich bin gelernter Schreiner/ Tischler mit Berufserfahrung als Handwerksgeselle.

Stößt übel auf, wenn die Behörde so etwas nicht interessiert, kann ich mir vorstellen!

Wenn dann mglw. noch hinzukommt, daß man der Verweigerung zur Mitarbeit bezichtigt werden würde, mit gleichzeitiger Androhung von Versagen des Existenzminimums
( -> Sanktion/ Jobcenter) dann ...? Wohl dem, der dann nicht auch noch in einem Umfeld leben muß, welches sich nicht entblödet ihm 'Faulheit' vorzuwerfen - vielleicht noch mit der Attributierung 'sozial schwach' dazu.
Ich seh's als Frechheit außerdem, wo wer ( Anm.: als gelernter Handwerker mit Gesellenbrief - das fällt einem ja auch nicht vom Himmel - weiß wovon ich red', in der Verwandtschaft gelernter Dachdecker auch mit Gesellenbrief ) zum Schwarzarbeiten genötigt werden soll
und die Behörde noch wegschaut? Soll man daraus schließen, daß solche Behördenmitarbeiter lieber quasi 'Kriminellen das Händchen halten' als die Arbeit zu tuen, wofür sie wirklich bezahlt werden?
Ich muß grad an Ephraim Kishon's 'Blaumilchkanal' denken - bzw. an Erich Fromm: 'Die Kranken ( die sich so einem irren System verweigern können) sind die Gesünderen'.

( "Hauptsache Arbeit" kann ja auch die Leut als 'zu doof sich zu wehren' gedeutet werden, was ich Dir aber nicht unterstellen möchte, Du stellst ja in Deinem posting klar, wie die Lage ist: machts der/die nicht, steht schon ein anderer in der Warteschlange, 'jeder nur ein Kreuz' - hier entlang, sozusagen).

Und das ist auch richtig.

Ich hab öfters den Eindruck, diejenigen, die von der 'mangelnden Selbstverantwortung derjeniger Leut', die auf amtliche Zusatzunterstützung angewiesen sind', reden, haben selber noch nicht die Härten dieses Schwe...schwarzpädagogischen Systems noch nicht aus eigner Erfahrung mitmachen müssen, sonst hätten die vllt. mehr Verstehen.

Das ist bei mir sicherlich nicht der Fall (Erklärung folgt im Anschluss)

Als gelerter Schreiner/ Tischler habe ich über 30 Jahre gute Einblicke in den Handwerksbereich in Nordhessen. Viele kleine familiengeführte Handwerksbetriebe haben mit ihrem atoritären bis arroganten Gehabe ihre Lehrlinge und Gesellen regelrecht vergrault, z. B. mit Sprüchen wie: "Lehrjahre sind keine Herrenjahre", "Du/ Ihr könnt froh sein bei mir arbeiten zu dürfen" und "Ausgeschi..... habt ihr zur Arbeit zu erscheinen".

Die Sprüche kenn ich noch von den Menschen, die mich großgezogen haben. Sehr autoritärer Stiefvater - ich bin dann mit 13 das erstemal ausgerissen - und mit 17 komplett ausgezogen von 'zuhause'. Hab eine 2-jährige Lehre abgeschlossen im Einzelhandel, und dann in einigen Jahren beruflich das, erlebt was man als 'sehr abwechslungsreich' beschreiben könnte, war auch mal selbständig zusammen mit meinem Mann, später dann.
Schließlich Scheidung, erst allein weitergemacht, dann was Neues gesucht. Schwerer Unfall später - dadurch bedingt erstmal komplett down - wieder aufgerappelt, zeitlang auch ALG heut endlich in Rente( wenn auch mit Aufstockung bedingt eben durch o.g. Ausfälle) und wie ich meine, auch wohlverdient.

Was die handwerkliche Ausbildung betrifft, Nachwuchs hat in einem Familienbetrieb ( in Bayern) auf dem Land gelernt - wir haben damals ganz bewußt miteinander nach einem kleineren Ausbildungsbetrieb gesucht, und das hat auch wirklich gut geklappt in dem Betrieb, die waren ein gutes Team und die beiden Meister ( der eine Dachdecker, der andere Spengler) waren lockerer als mit dem Spruch '..keine Herrenjahre' unterwegs- da machte ihm das Lernen und die Arbeit auch Spaß. Heut ist Filius, der ebenfalls später beruflich umgesattelt hat, meist im europäischen 'Ausland' unterwegs und in der Position daß er nicht für einen Schinderlohn arbeiten muß - worüber ich echt froh bin!

Gerade im Schreiner-Handwerk gab es in unsere Region zahlreiche Firmenaufgaben und Insolvenzen; vom produzierenden Handwerk kann oftmals keine Rede mehr sein, wenn Betriebe sich "gerade so" mit Montage von Fremdprodukten (z. B. Fenster, Türen, Treppen) über Wasser halten können und dabei große Konkurrenz von reinen Motagebetrieben haben.
Bereits nach wenigen Jahren hatten die meisten Schreiner/ Tischler unserer Abschluss-Klasse (1989) die Branche verlassen; Budeswehr, Möbelhäuser, Industrie (z. B. KMW, VW, Mercedes, Rheinmetall) Würth, Baumarkt oder für die Abiturienten das Studium (z. B. Bauingenieur, Archtektur) - alles war besser als das erlernte Handwerk; ich habe nie einen Absolventen unseres Jahrgangs getroffen der seinen Schritt in eine andere Branche bereut hat. Ich selbst habe meinen Berufswechsel auch nicht bereut.
Mein familiengeführter Lehrbetrieb war zweimal vom Firmeninsolvenz betroffen; mitlerweile läuft dieser Betrieb auf die Ehefrau des Junior. Die fetten Jahre dieses HKH-Fachbetriebes, mit selbstproduzierten Kunststofffenstern (in den 1980er Jahren gut laufendes Kerngeschäft), waren irgendwann vorbei...
Die Kernfrage lautet doch: Warum raten selbst gelernte Handwerker ihren Kindern von einer Lehre im Handwerk ab? Nicht nur gelernte Bäcker und Fleischer, auch Bau- und Baunebengewerbe, Zimmerleute, Dachdecker...Vielleicht läuft ja Mechatroniker noch; aber ist das überhaupt noch Handwerk?

Danke für Deine ausführliche Schilderung!
Verstehs einerseits, hab andererseits doch einige 'Abers'.
Nicht zuletzt aus dem Grund, weil ichs einfach schade finde, daß Traditionsbetriebe, die noch einen Namen sich gemacht hatten durch ihre Qualität, den Großkonzernen( Ketten) weichen bzw. ihr Können unter deren Kuratell sich stellen mussten ( denke bspw. an Bäckereien).

Was den Mechatroniker angeht - Kollege Computer ( bis hin zu schließlich KI vermutlich)
macht ja quasi schon alles. Der Mensch ist sozusagen 'vom Band gefallen'-> wird nimmer so gebraucht. Und wovon soll er nun leben, was soll er machen? Umschulen? Auf was? Auf Rakete bauen - für Elon und den Weg zum Mars? Was noch einen guten Automechaniker auszeichnete ( mir sitzt bei dem Gedanken auch ein bissl Schalk im Nacken, muß da an was denken..ist aber off topic) ist längst Vergangenheit und nimmer wahr, sozusagen. Auch wegen der Umwelt und dem überbordenden KFZ-Individualverkehr find ich, ist halt subjektiv, heut nun den KFZ_Mechaniker( Mechatroniker-)beruf zu erlernen, nimmer so interessant.
Zeiten ändern sich; ich war in Bayern in einem großen Betrieb, der damit zu tun hat, auch am arbeiten . Was mir dort am besten gefallen hat, war nun nicht das Auto selber ( aja gut, ähm - sein Sound wenn man den Motor gestartet hat...😊😇- aber ich war nie Raser und find sowas auch nicht gut, nur nebenbei angemerkt ) sondern die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus allen möglichen Ländern; g'funzt hat das - da gabs noch nicht diese 'Ausländer'- feindlichkeit wie sie mittlerweile wieder zu beobachten ist.

Für mich - inzwischen branchenfremd arbeitend - steht fest: Nie wieder Handwerk.

Bin wahrscheinlich bissl 'retro' - denke eher mit Wehmut an manches, was ich früher besser fand als es heut geworden ist. Mit Humor: Vielleicht liegts auch am Alter. Mnachmal 'verklärt' sich da auch der Blick. Aber da viele Ideen von Jüngeren wirklich wieder Mut machen - zeigen, wie ein Miteinander gehen kann, geb ich latürnich die Hoffnung nicht auf, dazu noch dieser kleine link, bezüglich Begründung, warum jemand Handwerksberuf zu lernen gut findet:
https://www.spiegel.de/start/nachwuchsmangel-im-handwerk-wir-verschenken-so-viel-potenzial-a-569e2310-4151-4e48-8274-d19b88040ebd
edit merkt noch an: sorry, Bezahlschranke drinne :( vorhin gings noch den Artikel vollständig zu lesen

Dir ebenfalls einen guten Rutsch, hatte ich noch vergessen.

Danke

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (31.12.2023 15:12).

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