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  • mustard mine

46 Beiträge seit 30.07.2024

Faust ist strackeneasy & das Vorspiel ist das Beste am ganzen Stück.

Das Beste am Faust ist das Vorspiel auf dem Theater, wo Mr. Crabs, Thaddäus Tentakel und Spongebob disputieren. Natürlich hat sich der Stephen Hillenburg das alles von Goethe abgeguckt, es disputieren bei Goethe natürlich der Theaterdirektor (Crabs), der Dichter (Thaddäus) und die "Lustige Person" (aka der Schauspieler Spongebob) . Großes Kino in diesem Theater. Goethe genial.

Denn erst mal tritt Goethe die 4. Wand ein, die zwischen Publikum & Bühne. Denn beim Vorspiel auf dem Theater diskutieren erst mal nur drei Bühnenprofis (und der eine davon eine fürchterliche Mimimi-Jammersissy, natürlich der Dichter) wie man das Stück (den FAUST) eben baut.

Der Theaterdirektor ist mit Abstand der Coolste, Publikumsanalyse, Publikumsbeschimpfung, klare Ansage, daß wir hier keine hochgeistige Scheiße fabrizieren, sondern Popcorn-Kino. Das jedem etwas bringen und in der BREITE wirken muß, damit die Hütte voll wird und jeder eine Eintrittskarte kauft. Bambambam. Mach mal Dichter-Drehbuchwurm. Der Dichter ziert sich, motzt & meckert, der totale Anti, wünscht sich seine Jugend zurück und jammert. Die "Lustige Person", also der Schauspieler grounded den Dichter. Hahahaha.

Der Theaterdirektor legt nach. Der FAUST ist keine off-broadway Produktion, kein Autorenfilm, sondern big fat Hollywood. Die Nummer darf was kosten, industrial light & magic. All bells & whistles allowed. Spezialeffekte satt:

Drum schonet mir an diesem Tag
Prospekte nicht und nicht Maschinen.
Gebraucht das groß, und kleine Himmelslicht,
Die Sterne dürfet ihr verschwenden;
An Wasser, Feuer, Felsenwänden,
An Tier und Vögeln fehlt es nicht.

Make immense! Das sagt Goethe, daß man hier kein monologisches Kammerspiel darbietet, sondern Großes Kino, Großes Haus, hau alles raus. Und baller hinterher. Faust paßt sehr gut zu Sylvester. ("Himmelslicht", was die damals für Pyrotechnik im Theater hatten, willste gar ned wissen....)

Und aus der Überlegung des Theaterdirektors, daß man jedem etwas bieten muß ("Ragout") damit die Hütte voll wird und jeder eine Eintrittskarte kauft, folgt seine conclusio:


So schreitet in dem engen Bretterhaus
Den GANZEN Kreis der Schöpfung aus,
Und wandelt mit bedächt'ger Schnelle
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.

Die "bedächtige Schnelle" ist übrigens das retardierende Moment des Aristotelischen Dramenschemas, also daß man erst mal einen veritablen Spannungsbogen aufziehen muß, bevor man mittels Katharsis das Stück in die Katastrophe kippt. Und daß hier von Himmel zur Hölle gewandelt werden soll, nimmt schon vorweg, daß wir hier kein Lustspiel und keine Operette wie den Vogelhändler zu erwarten haben, sondern eine Tragödie. Goethe spoilert sich selbst.

Goethe spielt hier ganz offensichtlich ein Bißchen mit seinem Publikum. Das Vorspiel auf dem Theater ist ja allein für mehr als einen Lacher gut, ist eine äußerst gekonnte Eulenspiegelei Goethes und das Publikum versteht das alles, lacht über sich selbst. Es ist die Rahmenhandlung, die ins eigentliche Schauspiel einführt. Und dann läßt Goethe knallhart die Tragödie abrollen. Keine Gnade, keine Kekse.

Selbst ohne den Baseallschlägerzaunpfahl, den Goethe schon im Vorspiel auf dem Theater über das ENDE offeriert, wird ja eigentlich recht schnell klar, daß es mit dem Doc Fausti nix mehr wird. Faust ist genial & potent, glaubt aber nicht an sich, er läßt sich mit den falschen Leuten ein, er will nicht durch sich selbst wirken (wiewohl er das könnte!) sondern durch die Macht des Dritten, er glaubt die Macht des Teufels für sich nutzen zu können, wo er doch nicht mal sein eigen Ego beherrscht. Damit verstrickt-verstrudelt er sich sukzessive immer weiter in den Maelstrom des eigenen Untergangs. Das is: Long story short, Faust abriged.

Bis zu dem Punkt, an dem der jämmerliche Faust nur noch nach einem Gretchen rufen kann, das sich ihm entsagt. Gretchen ist kein sonderlich intelligenter Charakter, aber sie erkennt - lebensklug! - daß Faust sich bis zur Selbstzerstörung völlig pervertiert hat und davon möchte sie kein mehrend Theil mehr sein. Goethe läßt seinen Hellboy Faust VOLL VOR DIE WAND fahren, mit Ansage & Arschtritt. Das hat schon was von Tarantino. Ich glaube, Goethe hätte Tarantino gemocht...

***

Faust ist zudem der personifizierte Antipode zu Goethe selbst. Goethe war smart, hart am Start und hat brutto für netto ein hervorragendes, erfülltes, langes Leben gehabt. Goethe war von Geburt schon reich, aber darauf hat er sich nicht ausgeruht, er hat vernünftig studiert, stieg in der Hierarchie bis zum Innenminister eines Fürstentums auf, war dann als Autor erfolgreich. Sehr erfolgreich. Ja, er erbte später auch Millionen von seinem Vater. Aber gebraucht hat er die nicht. Und nichts davon hat ihn wuschig oder gar überheblich gemacht. Er hat immer konsequent an sich positiv weitergearbeitet, auf sehr, sehr hohem NIveau. Goethe hat das Leben genossen, das kann man sagen. Aber er war halt auch verdammt gut. Goethe hätte niemals mit dem Teufel paktiert. Goethe hätte immer gesagt: "Das kann ich selbst."

Goethe ist Beispiel.
Faust is not.
Und daß es so ist, das macht Goethe am Beispiel des Faust deutlich.

Goethe will & kann im Faust einfach nur eine gute Geschichte erzählen. Mit Marxismus hat das alles nichts zu tun, den gabs zu Goethes Lebszeiten zum Glück nicht und so einen Schwachsinn hätte Goethe auch nie goutiert.

Servus aus der Senfmine

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