Kam mir bei der Lektüre des Interviews vor , als hätte mich jemand zurück in ein Germanistik-Proseminar in den 70er Jahren des 20.Jhd. gebeamt.
Damals war allerdings das Niveau tendenziell höher!
Kurz noch zur Relevanz von Goethe und seiner Faust-Figur:
1. Goethe war "der" maßgebliche Autor der (europäischen) "frühen Hochmoderne" (Klassifikation nach Osterhamel/Bayly)- wie bereits vom Zeitgenossen Napoleon so treffend identifiziert.
2. Faust ist sozusagen der Idealtyp des "früh-hochmodernen" Menschen: Er steht oberhalb/außerhalb der überkommenen (prä-modernen) "positiv-negativ"-Dichotomie.
3. Faust kann überhaupt nicht "irren" bzw. sich "verirren": Denn er symbolisiert bzw. "verkörperlicht" den "Erkenntnis <=> Selbstfindungs/-definitions"-Prozess der Epoche von ca. 1775 - ca. 1830 (aka "Goethezeit")
4. Damit steht Faust automatisch in der Gnade sowie unter dem Schutz von "Gott" - der zeittypisch als monistisch-synkretistische Zusammenfassung aller relevanten europäisch- abendländischen Gottesvorstellungen verstanden wird..
5. Si tacuisses, philosophus mansisses....