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  • iDog

532 Beiträge seit 03.04.2017

Sanfter Widerspuch als Ausgangspunkt für alles.

Liebe Autorin, Sie schreiben :

"Die Einsicht, dass der Kapitalismus strukturellen Wachstumszwängen unterliegt, ist weit verbreitet. Aber allein daraus erklärt sich noch nicht die Gewalttätigkeit gegenüber Mensch und Natur, die der kapitalistischen Wirtschaftsweise kulturell eingeschrieben ist.

Aus feministischer Perspektive ist eine andere Wirtschaft zwar notwendig, aber nicht hinreichend für eine Postwachstumsgesellschaft, denn patriarchale und koloniale Macht, Herrschaft und Gewalt sind älter als der Kapitalismus."

Sie haben es zwar fast genagelt, wenn Sie schreiben: "Macht, Herrschaft und Gewalt sind älter als der Kapitalismus", aber Sie übersehen, vielleicht auf die Schnelle, dass der Kapitalismus nur die aktuelle Form oder eben Struktur dieser "patriarchalen und kolonialen" Macht, Herrschaft und Gewalt ist. Dieser "Dreisatz" aber ist dann noch nicht einmal einer, denn schaut man genau hin, sind es nur drei verschiedene Begriffe für das selbe, aber aus scheinbar verschiedenen Blickwinkeln gesehen. Wenn sie mich fragen würden, würde ich sagen, dass diese Pseudounterscheidung einen ideologischen Zweck verfolgt. Aber das ist ein anders Thema.

Wenn Sie an einer anthropologischen Erklärung bezüglich der Gewalttätigkeit des Menschen interessiert sind, kann ich nur das letzte Werk David Graebers empfehlen. Er geht darin dieser Frage nach, mit sehr erstaunlichen Ergebnissen.

Was mich anbelangt so bin ich der Überzeugung, dass nicht nur der Kapitalismus längst tot ist, denn Wachstum ist quasi unmöglich geworden, wir also in einem plutokratischen Post-Kapitalismus leben, oder sollte ich sagen sediert dahinvegetieren, der mehr als je zuvor von Enteignungen (Natur) und reinen Umverteilungsmechanismen (Leistung, bzw. Lebenszeit) lebt. Dass der Kapitalismus ein Enteignungssystem ist, wusste übrigens auch Frau Arendt. Dass "Austeritätspolitik", wie in EU-Politik zum (wessen ?) "Wohlstandserhalt" - nur der modern Euphemismus für neo-koloniale Raubzüge im Inneren ist, spürt mittlerweile fast jeder am eigenen Leib.

Kurz, und wenn man es übertreiben wollte: Es ist also doch der verdammte Kapitalismus gewesen, der, nachdem er alle "Frösche" bei kleiner Flamme weichgekocht hat, in etwa da angekommen ist, womit der sogenannte Sozialismus angefangen hatte - sogar der totalitäre. Bizarr, nicht wahr?

Ist der Wachstumsmythos also überlebt, wo ist das eigentliche Problem?

Ich mache mal einen Vorschlag: Es ist der sogenannte Eigentumstitel - im Gegensatz zur Allmende. Der Eigentumstitel ist das intellektuelle Konstrukt, dass den Kapitalismus und die aus ihm erwachsende Gewalt und Machtakkumulation erst ermöglicht. Das heißt akut, dass sich auch im Post-Kapitalismus noch nichts verändert solange der Eigentumstitel noch von entsprechenden Instanzen oder Strukturen verteidigt werden kann. Im Moment erledigt das der sogenannte "umgekehrte Totalitarismus" (Sheldon Wolin), in dem im Gegensatz zum historischen die Politik von der Wirtschaft instrumentalisiert wird. Das Kapital flüchtet sich aus dem Liberalismus in den Totalitarismus ... wie soll es sich selbst sonst verteidigen?

Wie lange kann in einer untergehenden "Zuvielisation" dieses alles durchwirkende intellektuelle Konstrukt "Eigentumstitel" noch verteidigt werden?

Zu den entsprechenden Zusammenhängen bezüglich der "feministischen Perspektive" und des Patriarchats, kann ich auf Claudia von Werlhof verweisen, die wegen ihrer deutlichen Sprache nicht wenig verleumdet wurde, oder aber ich kann auch kurz sagen, dass beides ohne Eigentumstitel so wenig Bedeutung haben wird, wie das Wort "Freiheit", wenn es Freiheit wirklich gibt.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (04.02.2023 21:11).

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