Zu deinem Edit: Ich bin auch keine Juristin, nur StGB-Liebhaberin (das hat so eine Poesie der Pingeligkeit, die ich nach Lektüre der Kolumnen von Thomas Fischer für mich entdeckte) und wir rechthabern hier auch nicht rum, sondern tauschen uns aus und erweitern dabei gegenseitig unser Wissen und Verständnis von der Sache. :)
andimar schrieb am 17.11.2024 00:17:
Zu 1)
Wenn es vom ZDF ist, warten wir mal 1 bis 2 Tage.Zu 2)
Ich bin kein Jurist, ich fand aber die Unterscheidungen
(https://de.wikipedia.org/wiki/Antragsdelikt)
-absolutes Antragsdelikt - bedingtes Antragsdelikt - relatives Antragsdeliktder 188er ist wohl ein bedingtes Antragsdelikt, also kann es vorkommen, daß eine Staatsanwaltschaft das auf eigene Rechnung macht.
Ja, wenn sie ein "besonderes öffentliches Interesse" an der Strafverfolgung feststellt, also wenn es im Sinne der Allgemeinheit ist, dass eine Strafverfolgung auch dann stattfindet, wenn der von der Tat Betroffene keinen Strafantrag stellt, die Äußerungen z.B. dazu geeignet sind, den öffentlichen Frieden nachhaltig zu stören. Was unter "besonderes öffentliches Interesse" fällt, obliegt dem Ermessen der Staatsanwaltschaft und kann grundsätzlich erstmal nicht angefochten werden (höhere Instanzen können ggfs. Ermessensfehler feststellen).
Das macht durchaus auch Sinn, denn Hassreden finden ja nicht unbedingt unter den Augen des Gemeinten statt, wirken aber trotzdem auf die Leser und führen womöglich zu weiteren, schlimmeren Straftaten. Es mag also durchaus im "besonderen öffentlichen Interesse" liegen, besonders krasse Beleidigungen, Verleumdungen und üble Nachreden, insbesondere wenn sie mit Drohungen und Gewaltaufrufen verknüpft sind, ohne Antrag des Betroffenen strafrechtlich zu verfolgen, um die Täter aus dem Verkehr zu ziehen, den öffentlichen Frieden wiederherzustellen und Schlimmeres zu verhindern.
Es ist aber auch sicherlich in den Staatsanwaltschaften bekannt, dass die Revisionsgerichte und das BVerG Strafurteile wegen Beleidigungen von Politikern oftmals wieder kassiert mit der Begründung, dass das Recht auf Meinungsäußerung schwerer wiegt, der Kontext der Äußerung nicht ausreichend und angemessen gewürdigt wurde und Politiker durchaus heftigere Äußerungen der Bürger, die im Privatbereich als strafbare Beleidigung eine Verurteilung zu einer Geldstrafe zur Folge haben, hinnehmen und aushalten müssen.
Insofern:
> Hätte Habeck das verneint, hätte die Staatsanwaltschaft den Vorgang nicht weiter verfolgt.Nicht zwingend.
In diesem Falle schon. Oder findest du, die Verfolgung eines einfachen "Schwachkopf" wäre von besonderem öffentlichen Interesse? Also, mir wäre das ja nicht mal eine Strafanzeige wert gewesen. Mein besonderes öffentliches Interesse beschäftigt sich vielmehr mit der Frage, wieviele der über 800 Strafanzeigen eines Habecks tatsächlich zu einem Strafverfahren und einer Verurteilung geführt haben und ob man nicht vielleicht mal allzu anzeigefreudigen Politikern kräftig auf die Finger klopfen und ihnen klarmachen sollte, dass sie da Steuergelder verschwenden, sowie allzu übereifrigen Staatsanwälten und Ermittlungsrichtern, die wegen einfacher Beleidigungen Hausdurchsuchungen beantragen/genehmigen, klarmacht, dass sie sich da in Unverhältnismäßigkeiten ergehen und damit selbst den allgemeinen Frieden stören und das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat beschädigen.
Wie auch immer, nun hat der Habeck den Salat: Dadurch, dass seine Anzeige dank der fragwürdigen Hausdurchsuchung an die Öffentlichkeit gelangt ist, beginnt die Wahlkampagne des eventuellen Kanzlerkandidaten mit Medienberichten, die die Überschriften ""Schwachkopf" Habeck" (BZ) oder "Beleidigter Habeck" (Welt) tragen. Womöglich endet das wie seinerzeit das "Pimmelgate":
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/hamburg-innensenator-andy-grote-pimmelgate-chronologie-a-dbd0040d-1126-43c6-a5d9-c33c8eb193a5
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/hamburg-wohnungsdurchsuchung-wegen-pimmelgate-war-unrechtmaessig-a-de489269-6589-453f-896f-56e728128cea