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  • yossarian

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Konsum & so

Sven Zörner schrieb am 29. August 2006 16:29

> Ja, die Überschuldung kann für den einzelnen tatsächlich ein Problem
> werden.

Nein. Überschuldung ist für *ALLE* ein Problem:

1.) Für den konkret Betroffenen (logisch...)

2.) Für die Banken. Die Banken können ihre Schulden abschreiben, die
Kosten dafür müssen sie aber ihren anderen Schuldnern aufs Auge
drücken. Sprich: Jeder geplatzte Kredit, egal ob groß oder klein,
erhöht die Kreditzinsen für die anderen, die noch ihre Schulden
bedienen können.
Mir hat mal ein Banker gesagt: "Im Grunde lohnt der ganze Mist mit
den geplatzten Kleinkrediten und den überzogenen Dispos eigentlich
nicht. Alles bis -2000 Euro könnte man glatt ausbuchen, unsere Kohle
sehen wir eh' nie wieder und die Kosten für den Verwaltungsaufwand um
die Leut' zu mahnen und ihnen den Gerichtsvollzieher auf den Hals zu
hetzen, müssen wir natürlich auf alle anderen Kunden umlegen."

3.) Die Gesellschaft muß sich mit Alkoholikern, Selbstmördern,
zerrissenen Familien, Beschaffungskriminalität und ähnlich
unappetittlichen Dingen rumschlagen: Mehr als ein überschuldeter
Unternehmer ist schon aus dem Fenster gesprungen. Super, wieder eine
Mutter mit Kind mehr, die von nun Sozialhilfe lebt. Mehr als ein
überschuldeter Arbeiter hat schon mit der Wasserpistole eine
Tankstelle überfallen: Super, wieder einer mehr der für 6-9 Jahre (ja
das kriegt man für bewaffneten Raubüberfall, ich hab mal Schöffe
gemacht, ich weiß das) in den Knast wandert: Jeder Häftling kostet
die Gesellschaft pro Tag 150-250 Euro.

> Die andere Seite der Medaille ist allerdings, daß die deutschen im
> Schnitt mehr auf der hohen kannte liegen haben un sich nicht trauen
> das auch zu investieren als andere wohlhabende Völker.

Bidde?

Es wird noch viel zu wenig gespart in Deutschland. Aus vielen
Bereichen der Fürsorgepflicht hat sich der Staat zurückgezogen,
Leistungen gestrichen oder privatisiert. Das verteuert die
Lebenshaltungskosten *ERHEBLICH*. Dafür muß also Vorsorge getroffen
werden. Und für all das Geld, mit dem ich mich privat absichern muß,
kann ich nichts verkonsumieren.

Bsp.: Mein Studium war individuell kostenfrei, es wurde vom Kollektiv
über Steuern bezahlt. Heute kostet ein Semester 500 Euro. Bei einer
Studiendauer von 12 Semestern werden also 6000 Euro zusätzlich
fällig. Schon bei der Geburt meines Kindes muß ich pro Monat also 22
Euro ansparen, damit nach 18-19 Jahren (nämlich dann, wenn mein Kind
studieren will) dieses Geld zur Verfügung steht: Wobei ich bei diesem
Rechenbeispiel idealistischerweise von einem Zinssatz von 2,5%
ausgehe, ferner, daß auch in 18 Jahren die Studiengebühren noch bei
500 Euro pro Semester liegen werden: Daran glaubt wohl ernsthaft
niemand. Aber genau für diese 22 Euro pro Monat kann ich künftig
keine Pizza und keine Kinokarte kaufen. Und das für die nächsten 18
Jahre nicht.

Ökosteuer und Mehrwertsteuererhöhung verteuern das Leben zusätzlich:
Da kann nicht MEHR verkonsumiert werden, sondern WENIGER. Ich habe
hier noch einen 11 Jahre alten Busfahrschein, darauf steht: 2,20 DM.
Heute kostet die gleiche Fahrt auch 2,20, aber nicht DM, sondern
Euro. Ich kann mich nicht allerdings nicht erinnern, daß mein
Einkommen in den letzten 10 Jahren um 100% gestiegen ist: Aber mein
Busfahrschein hat sich um 100% verteuert.

Hohe Sparquoten sind daher nur rational.

> Prinzip. Wirtschaft funktioniert in einigen Bereichen nicht nach
> "soll und haben" sondern nach dem Kreditprinzip im ursprünglichen
> Wortsinne (credo = lat. ich glaube).

Wer nix hat, kann an nix glauben: Glauben ist was für Reiche, die
keine basalen Nöte mehr zu bewältigen haben.

mfG, yossarian

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