"Noch wenige Wochen vor der Maueröffnung hat Erich Honecker von den historischen Leistungen der DDR geschwärmt und damit selbst in seiner nächsten Umgebung Befremden ausgelöst. "
Also , es war bestimmt kein Fehler, der DDR auch in einer Phase des Zerfalls immerhin einige historische Leistungen zuzugestehen, sei es auch nur die, einen Mann an der Spitze zu haben, der unter Hitler 12 Jahre für seine Ideale im Gefängnis gesessen hat, als von alten NSDAP Mitgliedern wie Genscher, Scheel , Kiesinger oder Carstens und sogar Nazi - Verbrechern wie Filbinger oder Globke regiert zu werden.
Ehrlich gesagt, war mir bei aller Kritik dieser "Dachdecker" Honecker dann doch lieber.
Hier in Russland gesteht die Mehrheit der Bevölkerung, die ja nun Erfahrungen mit beiden Systemen gemacht hat, der Sowjetunion viele Errungenschaften zu, von denen man teilweise heute nur träumen kann. Bei den ehemaligen DDR Bürgern wird es ähnlich sein. Aber sie sind schon müde, zu dem Thema überhaupt noch etwas zu sagen. In Deutschland ist es nun einmal Bürgerpflicht, alles, aber auch alles zu 100 % in den Boden zu trampeln und zu negieren, mindestens zu verschweigen oder abzuwerten, was es in dieser Zeit auch an positiven Dingen gab. Deshalb bin ich da ja auch weg. Es ödet einen an.
Wenn die Menschen, welche die DDR erlebt haben, mehrheitlich vielleicht auch nicht dieses alte System zurück haben wollen, so werfen sie doch innerlich deshalb nicht alles gleichgültig in den Müll, was es damals an Errungenschaften gab ( so wie es die Umgebung von Honecker oder Gorbatschow tat).
Eine vollkommen kostenlose Gesundheitsversorgung, verschwindend geringe Kosten oder absolute Kostenfreiheit für alle Bürger auf allen sozialen Gebieten, keine Kosten für Studenten,die sich auf ihr (längeres) Studium konzentrieren konnten . Heute müssen sie sich über BAFÖG verschulden und außerdem jobben.Jeder hatte einen gesicherten Arbeitsplatz und Kündigungsschutz, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen.
Es war unmöglich, die Arbeitnehmer so in Unsicherheit für ihre Familie und die Zukunft zu lassen, wie das heute geschieht. Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit - unbekannt.
Ebenfalls sparte man sich die Rauschgift - Toten und Obdachlosen auf der Straße. Beispielsweise starb nach der Wende die Tochter meines Bruders an einer Überdosis. Er kam darüber nie hinweg und wusste mit Sicherheit die Errungenschaften der DDR zu schätzen.
Zu nennen wäre auch die größere Gerechtigkeit. Bei allen Unterschieden im Einkommen, die es auch damals gab, hatten wir dennoch nicht diese grenzenlos schamlose Bereicherung einer kleinen Kaste wie heute. Der Gehaltsunterschied zwischen einem Kombinatsdirektor ( heute Konzernchef oder Aufsichtsratsmitglied) und einem einfachen Schlosser oder zwischen einem Professor und einem Busfahrer war verglichen mit heute geradezu minimal. So, wie das Politbüro in Wandlitz wohnte, hätte manch anderer Bürger sein Haus nicht gern eingetauscht.
Natürlich muss man auch die negativen Aspekte dieses Systems berücksichtigen ( etwa die mangelnde Reisefreiheit). Doch die DDR oder die UdSSR, überhaupt der gesamte Warschauer Pakt war ein Gegengewicht zu den spätestens seit Hiroshima wild gewordenen USA geradezu notwendig. Die größte Errungenschaft dieser Staaten war es, dass es auf der Welt irgend jemanden gab, der dem Staatsterror der USA Einhalt gebieten konnte. Diese Staaten waren damals Garant für den Frieden. Einige im Westen werden es bereits bedauern, dass sie so emsig am Ast der Sowjetunion oder der DDR gesägt haben, auf dem sie eigentlich, ohne es zu merken, selbst saßen. Das zeigt sich jetzt am Benehmen der USA, weil es den Ostblock nicht mehr gibt.
Nach dem nächsten Krieg, den die Menschen in Deutschland direkt am eigenen Leibe spüren werden, diskutieren wir dann am besten noch einmal, ob Honecker zu Recht Errungenschaften der DDR erwähnt hat, aber nur, falls es uns dann noch gibt.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (22.07.2020 05:10).