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20 Beiträge seit 31.01.2005

Messbarkeit vs. Empirik?

the observer schrieb am 3. Februar 2005 12:04

> Gleich noch einmal vorweg: Ich bin kein Mediziner, und ich kann
> fachlich zum Thema Homöopathie keinen Beitrag leisten. Trotzdem denke
> ich, daß das Thema fachübergreifend ist, und daß ich meine zwei Cent
> dazu liefern kann.

Ich bin auch kein Mediziner, sondern Naturwissenschaftler. Aber ich
während des Studiums gelernt, dass ich vieles hinterfragen, das
meiste überprüfen und manches als noch ungeklärt hinnehmen muss.

[...]
> Gut, nennen wir es Meßbarkeit. Das Meßbare, ergo Wahrnehmbare ist nun
> mal Voraussetzung zur Erkenntnisgewinnung. Was soll ich mit etwas
> anfangen, das ich nicht überprüfen kann? Wer könnte dann behaupten,
> es existiere überhaupt? Und eine Wirkung ohne Ursache ist irrational.
> Das schönste Gedankenexperiment, die schönste Methode ist nun mal
> nutzlos, wenn ich sie nicht an der Praxis überprüfen kann.

Natürlich kann ich die Methode in der Praxis überprüfen! Das macht
der Homöopath bei jedem Fall. Er sucht nach dem seines Wissens und
Gewissens nach passenden Mittel und verabreicht dies. Wirkt es nicht,
war es entweder das falsche Mittel oder es gibt Heilungshindernisse
(Kaffee, Alkohol, Stress am Arbeitsplatz und selbst sowas wie
Schlafentzug durch die kleinen Kinder der Patientin/des Patienten
usw.), die erstmal ausgeräumt werden müssen.

Aber was ist so verwerflich daran, auf Erfahrungsberichte (Materia
Medica, Patientenakten, Repertorien, eigene Erfahrungen...) zu bauen
und auf dieser Basis nach dem Simile zu suchen? Wie das dann auf
molekularer Ebene wirkt, ist mir erstmal egal. Letzteres gilt auch
für die meisten allopathischen Medikamente.

> Dein konkretes Beispiel, die Tests konventioneller Arzneimittel,
> beinhalten sicherlich noch eine Reihe anderer Aspekte, die weg von
> der reinen Wissenschaft und hin zum Kommerz führen. Dazu gäbe es noch
> einiges zu einzuwenden, aber über den Kampf um Marktanteile will ich
> jetzt eigentlich nicht reden.

Ich vermute, da sind wir uns auch einig. Das Geld spielt - vor allem
in Form von geschützten Patenten auf neue Arzneien - eine sehr
gewichtige Rolle. Manchmal ist das schlecht, manchmal ist das gut.

> Ist es denn für den praktizierenden Homöopathen nicht auch
> unbefriedigend, wenn er mit einer Methode arbeitet, von der er weiß,
> daß sie in manchen Fällen Erfolg hat, in anderen nicht - ohne daß er
> die Ursache dafür kennt, ohne daß er überhaupt weiß, weshalb die
> Methode überhaupt funktioniert? Er geht immerhin von Postulaten aus
> (ich denke da an similia similibus curentur), die sich als falsch
> herausstellen könnten. Und das ist ja auch einer der
> Hauptkritikpunkte, der bisher nicht entkräftet werden könnte.

Wenn das Mittel nicht wirkt, war es meist nicht das richtige. Das ist
auch das wirklich frustrierende an der Anwendung der Homöopathie! Ich
kann mich nicht darauf verlassen, dass Mittel A bei einem Patienten
gewirkt hat, dieses auch beim nächsten Patient wirkt. Jeder Fall ist
einzigartig und muss genauestens untersucht werden.

[...]
> Das ist die logische Schlußfolgerung daraus. Ich hoffe nur, wir sind
> uns einig darüber, daß die Basis eine naturwissenschaftliche sein
> sollte? Die (Natur-)Wissenschaften sind _die_ Quelle der
> überwältigenden Mehrheit all des Wissens, was wir über unsere Welt
> erworben haben. Ohne die konsequente Anwendung der wissenschaftlichen
> Methoden würden wir vielleicht noch dem geozentrischen Weltbild
> nachhängen... Es gibt momentan keine andere Methode der
> Erkenntnisgewinnung, die auch nur annähernd genau, zuverlässig und
> reproduzierbar ist.

Selbstverständlich! Entscheidend ist erstmal die Empirik. So wurde ja
das Wissen über die Mittel zusammengetragen. Tausende von Versuchen
an Gesunden im Vergleich mit den Ergebnissen bei Kranken.

> > Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die
> > Häufigkeit von unerwünschten Nebenwirkungen bei der Einnahme von
> > allopathischen Medikamenten verringert werden könnte, ...
>
> Kein Widerspruch. Nur möchte ich noch ergänzen
>
> > ... wenn man genauer herausfindet, für welchen Patienten
> > welches Medikament besser geeignet ist...
>
> ...und aus welchem Grund.

Korrekt! Danke für die Ergänzung.

> > Nur leider wollen sich die wenigsten Kritiker auf solch ein Terrain
> > bewegen. Schade eigentlich, denn ich bin mir sicher, dass das
> > Ergebnis solcher Untersuchungen uns allen nur Nutzen kann.
>
> Vielleicht stehen sie auf dem Standpunkt, daß sich die Homöopathie,
> will sie sich der Schulmedizin nähern, von sich aus aktiv werden muß.
> Ich habe allerdings den Eindruck gewonnen, daß vor allem die Anhänger
> der Homöopathie sich nicht von ihrem Terrain wegbewegen wollen. Irre
> ich mich da?

Du irrst Dich insofern NICHT, dass die Homöopathen nicht weg wollen
von der sogenannten Anamnese (Fallaufnahme) und nicht weg wollen vom
simile-Prinzip. Nur das lässt sich in einer herkömmlichen
Doppelblindstudie nicht einhalten. Wir müssten den Homöopathen
gestatten, die Kontrollgruppe einzuschränken (gemäß dem
Simile-Prinzip die Arznei wählen zu dürfen) und das wird wieder nur
Angriffsfläche für Kritiker bieten.

Es ist schon echt traurig, denn ich bin mir sicher, dass sich vieles
an Kosten im Gesundheitswesen einsparen ließe, denn Homöopathie ist
nicht teuer. Und so mancher Patient käme um eine schmerzvolle
Leidensphase und Reha-Maßnahmen herum, wenn die Rettungssänitäter,
Notärzte aber auch Passanten alle ein Fläschchen Arnica C200 in der
Tasche hätten...
Aber es müsste sehr viel mehr an Zeit und Geld in die Ausbildung der
Ärzte gesteckt werden und das werden die meisten nicht wollen.
Welcher Chefarzt will schon gerne nochmals die "Schulbank" drücken
müssen?

Viele Grüße,

Hreidmar

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