Hreidmar schrieb am 3. Februar 2005 14:24
> the observer schrieb am 3. Februar 2005 12:04
>
> > Gleich noch einmal vorweg: Ich bin kein Mediziner, und ich kann
> > fachlich zum Thema Homöopathie keinen Beitrag leisten...
> Ich bin auch kein Mediziner, sondern Naturwissenschaftler. Aber ich
> während des Studiums gelernt, dass ich vieles hinterfragen, das
> meiste überprüfen und manches als noch ungeklärt hinnehmen muss.
Da sind wir uns einig.
> [...]
> > Gut, nennen wir es Meßbarkeit. Das Meßbare, ergo Wahrnehmbare ist nun
> > mal Voraussetzung zur Erkenntnisgewinnung. Was soll ich mit etwas
> > anfangen, das ich nicht überprüfen kann? Wer könnte dann behaupten,
> > es existiere überhaupt? Und eine Wirkung ohne Ursache ist irrational.
> > Das schönste Gedankenexperiment, die schönste Methode ist nun mal
> > nutzlos, wenn ich sie nicht an der Praxis überprüfen kann.
>
> Natürlich kann ich die Methode in der Praxis überprüfen! Das macht
> der Homöopath bei jedem Fall. Er sucht nach dem seines Wissens und
> Gewissens nach passenden Mittel und verabreicht dies.
Das ist ein Mißverständnis. Er überprüft nicht die Methode (damit
meine ich eigentlich die H. in ihrer Gesamtheit), sondern er wendet
sie an. Darin besteht ein Unterschied.
> Aber was ist so verwerflich daran, auf Erfahrungsberichte (Materia
> Medica, Patientenakten, Repertorien, eigene Erfahrungen...) zu bauen
> und auf dieser Basis nach dem Simile zu suchen?
So langsam kehren alle kontroversen Punkte wieder zurück, und wir
drehen uns im Kreis... Die Verwerflichkeit - wenn wir diesen Begriff
verwenden wollen - liegt eher darin, daß (so behaupten ihre Kritiker)
die Homöopathie vorgibt, auf eine Art und Weise zu wirken, die nicht
nachprüfbar ist, also durchaus falsche Versprechen machen könnte.
Daran hängt ja auch die Einstufung der H. innerhalb der Medizin, und
(wenn wir uns dem Individuum zuwenden) letztlich das, was den
Patienten interessiert, nämlich eine mögliche Erstattung der Kosten
durch die Krankenkassen.
> Wie das dann auf
> molekularer Ebene wirkt, ist mir erstmal egal. Letzteres gilt auch
> für die meisten allopathischen Medikamente.
Sollte Dir als Naturwissenschaftler egal sein, wie ein Mittel wirkt,
das bei derart großer Verdünnung nur noch statistisch erfaßbar ist,
also nur mit einer gegen Null gehenden Wahrscheinlichkeit in der
Lösung enthalten ist? Daß die Art der Aufbereitung (das Schütteln)
für die Wirksamkeit des Medikaments entscheidend sein soll?
Dem Patienten ists freilich recht, dem geheilten jedenfalls. Aber ich
hatte wohl schon zuvor geschrieben, daß ich diese Betrachtungsweise
in diesem Fall nicht für angebracht halte.
> > Ist es denn für den praktizierenden Homöopathen nicht auch
> > unbefriedigend, wenn er mit einer Methode arbeitet, von der er weiß,
> > daß sie in manchen Fällen Erfolg hat, in anderen nicht - ohne daß er
> > die Ursache dafür kennt, ohne daß er überhaupt weiß, weshalb die
> > Methode überhaupt funktioniert? Er geht immerhin von Postulaten aus
> > (ich denke da an similia similibus curentur), die sich als falsch
> > herausstellen könnten. Und das ist ja auch einer der
> > Hauptkritikpunkte, der bisher nicht entkräftet werden könnte.
>
> Wenn das Mittel nicht wirkt, war es meist nicht das richtige. Das ist
> auch das wirklich frustrierende an der Anwendung der Homöopathie! Ich
> kann mich nicht darauf verlassen, dass Mittel A bei einem Patienten
> gewirkt hat, dieses auch beim nächsten Patient wirkt.
Das stimmt schon, gilt aber auch für die "Schulmedizin". Daher sind
ja umfangreiche und ausgeklügelte Untersuchungen entwickelt worden.
Und wenn man den Wirkstoff (und nur ihn) untersuchen will, muß man
alles was die Untersuchungen in eine falsche Richtung drängen könnte,
weitestgehend ausblenden, daher ja auch die Placebo- Experimente. Bei
der Homöopathie - so die Kritiker - bleibt aber nichts Greifbares
mehr übrig, wenn der Placeboeffekt berücksichtigt wird. Was aber
wirkt dann, und auf welche Weise?
Aber das ist ja schon vielfach diskutiert worden.
> > Das ist die logische Schlußfolgerung daraus. Ich hoffe nur, wir sind
> > uns einig darüber, daß die Basis eine naturwissenschaftliche sein
> > sollte? Die (Natur-)Wissenschaften sind _die_ Quelle der
> > überwältigenden Mehrheit all des Wissens, was wir über unsere Welt
> > erworben haben. Ohne die konsequente Anwendung der wissenschaftlichen
> > Methoden würden wir vielleicht noch dem geozentrischen Weltbild
> > nachhängen... Es gibt momentan keine andere Methode der
> > Erkenntnisgewinnung, die auch nur annähernd genau, zuverlässig und
> > reproduzierbar ist.
>
> Selbstverständlich! Entscheidend ist erstmal die Empirik. So wurde ja
> das Wissen über die Mittel zusammengetragen. Tausende von Versuchen
> an Gesunden im Vergleich mit den Ergebnissen bei Kranken.
Wissen wird es erst dann, wenn die Informationen (denn mehr sind die
Ergebnisse zunächst nicht) zusammengefaßt und nach bestimmten
Methoden und Kriterien ausgewertet wurden. Und da ist zuallererst
Disziplin gefragt. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, daß aus
korrekten Daten fehlerhafte Schlüsse gezogen werden, daß das
erwartete Ergebnis herbeigerechnet wird.
> > > Nur leider wollen sich die wenigsten Kritiker auf solch ein Terrain
> > > bewegen. Schade eigentlich, denn ich bin mir sicher, dass das
> > > Ergebnis solcher Untersuchungen uns allen nur Nutzen kann.
> >
> > Vielleicht stehen sie auf dem Standpunkt, daß sich die Homöopathie,
> > will sie sich der Schulmedizin nähern, von sich aus aktiv werden muß.
> > Ich habe allerdings den Eindruck gewonnen, daß vor allem die Anhänger
> > der Homöopathie sich nicht von ihrem Terrain wegbewegen wollen. Irre
> > ich mich da?
>
> Du irrst Dich insofern NICHT, dass die Homöopathen nicht weg wollen
> von der sogenannten Anamnese (Fallaufnahme) und nicht weg wollen vom
> simile-Prinzip. Nur das lässt sich in einer herkömmlichen
> Doppelblindstudie nicht einhalten. Wir müssten den Homöopathen
> gestatten, die Kontrollgruppe einzuschränken (gemäß dem
> Simile-Prinzip die Arznei wählen zu dürfen) und das wird wieder nur
> Angriffsfläche für Kritiker bieten.
Na, gegen Anamnese dürfte kein Mediziner was einzuwenden haben. Und
was das umstrittene Simileprinzip betrifft; es bedarf nach wie vor
des Nachweises seiner Wirksamkeit. Und den Beweis muß der antreten,
der die Behauptung aufstellt. Mit geeigneten, von beiden Seiten
anerkannten Mitteln, ansonsten kommt kein Konsens zustande.
> Es ist schon echt traurig, denn ich bin mir sicher, dass sich vieles
> an Kosten im Gesundheitswesen einsparen ließe, denn Homöopathie ist
> nicht teuer. Und so mancher Patient käme um eine schmerzvolle
> Leidensphase und Reha-Maßnahmen herum, wenn die Rettungssänitäter,
> Notärzte aber auch Passanten alle ein Fläschchen Arnica C200 in der
> Tasche hätten...
> Aber es müsste sehr viel mehr an Zeit und Geld in die Ausbildung der
> Ärzte gesteckt werden und das werden die meisten nicht wollen.
> Welcher Chefarzt will schon gerne nochmals die "Schulbank" drücken
> müssen?
Ich kann mir darüber kein Urteil erlauben.
> the observer schrieb am 3. Februar 2005 12:04
>
> > Gleich noch einmal vorweg: Ich bin kein Mediziner, und ich kann
> > fachlich zum Thema Homöopathie keinen Beitrag leisten...
> Ich bin auch kein Mediziner, sondern Naturwissenschaftler. Aber ich
> während des Studiums gelernt, dass ich vieles hinterfragen, das
> meiste überprüfen und manches als noch ungeklärt hinnehmen muss.
Da sind wir uns einig.
> [...]
> > Gut, nennen wir es Meßbarkeit. Das Meßbare, ergo Wahrnehmbare ist nun
> > mal Voraussetzung zur Erkenntnisgewinnung. Was soll ich mit etwas
> > anfangen, das ich nicht überprüfen kann? Wer könnte dann behaupten,
> > es existiere überhaupt? Und eine Wirkung ohne Ursache ist irrational.
> > Das schönste Gedankenexperiment, die schönste Methode ist nun mal
> > nutzlos, wenn ich sie nicht an der Praxis überprüfen kann.
>
> Natürlich kann ich die Methode in der Praxis überprüfen! Das macht
> der Homöopath bei jedem Fall. Er sucht nach dem seines Wissens und
> Gewissens nach passenden Mittel und verabreicht dies.
Das ist ein Mißverständnis. Er überprüft nicht die Methode (damit
meine ich eigentlich die H. in ihrer Gesamtheit), sondern er wendet
sie an. Darin besteht ein Unterschied.
> Aber was ist so verwerflich daran, auf Erfahrungsberichte (Materia
> Medica, Patientenakten, Repertorien, eigene Erfahrungen...) zu bauen
> und auf dieser Basis nach dem Simile zu suchen?
So langsam kehren alle kontroversen Punkte wieder zurück, und wir
drehen uns im Kreis... Die Verwerflichkeit - wenn wir diesen Begriff
verwenden wollen - liegt eher darin, daß (so behaupten ihre Kritiker)
die Homöopathie vorgibt, auf eine Art und Weise zu wirken, die nicht
nachprüfbar ist, also durchaus falsche Versprechen machen könnte.
Daran hängt ja auch die Einstufung der H. innerhalb der Medizin, und
(wenn wir uns dem Individuum zuwenden) letztlich das, was den
Patienten interessiert, nämlich eine mögliche Erstattung der Kosten
durch die Krankenkassen.
> Wie das dann auf
> molekularer Ebene wirkt, ist mir erstmal egal. Letzteres gilt auch
> für die meisten allopathischen Medikamente.
Sollte Dir als Naturwissenschaftler egal sein, wie ein Mittel wirkt,
das bei derart großer Verdünnung nur noch statistisch erfaßbar ist,
also nur mit einer gegen Null gehenden Wahrscheinlichkeit in der
Lösung enthalten ist? Daß die Art der Aufbereitung (das Schütteln)
für die Wirksamkeit des Medikaments entscheidend sein soll?
Dem Patienten ists freilich recht, dem geheilten jedenfalls. Aber ich
hatte wohl schon zuvor geschrieben, daß ich diese Betrachtungsweise
in diesem Fall nicht für angebracht halte.
> > Ist es denn für den praktizierenden Homöopathen nicht auch
> > unbefriedigend, wenn er mit einer Methode arbeitet, von der er weiß,
> > daß sie in manchen Fällen Erfolg hat, in anderen nicht - ohne daß er
> > die Ursache dafür kennt, ohne daß er überhaupt weiß, weshalb die
> > Methode überhaupt funktioniert? Er geht immerhin von Postulaten aus
> > (ich denke da an similia similibus curentur), die sich als falsch
> > herausstellen könnten. Und das ist ja auch einer der
> > Hauptkritikpunkte, der bisher nicht entkräftet werden könnte.
>
> Wenn das Mittel nicht wirkt, war es meist nicht das richtige. Das ist
> auch das wirklich frustrierende an der Anwendung der Homöopathie! Ich
> kann mich nicht darauf verlassen, dass Mittel A bei einem Patienten
> gewirkt hat, dieses auch beim nächsten Patient wirkt.
Das stimmt schon, gilt aber auch für die "Schulmedizin". Daher sind
ja umfangreiche und ausgeklügelte Untersuchungen entwickelt worden.
Und wenn man den Wirkstoff (und nur ihn) untersuchen will, muß man
alles was die Untersuchungen in eine falsche Richtung drängen könnte,
weitestgehend ausblenden, daher ja auch die Placebo- Experimente. Bei
der Homöopathie - so die Kritiker - bleibt aber nichts Greifbares
mehr übrig, wenn der Placeboeffekt berücksichtigt wird. Was aber
wirkt dann, und auf welche Weise?
Aber das ist ja schon vielfach diskutiert worden.
> > Das ist die logische Schlußfolgerung daraus. Ich hoffe nur, wir sind
> > uns einig darüber, daß die Basis eine naturwissenschaftliche sein
> > sollte? Die (Natur-)Wissenschaften sind _die_ Quelle der
> > überwältigenden Mehrheit all des Wissens, was wir über unsere Welt
> > erworben haben. Ohne die konsequente Anwendung der wissenschaftlichen
> > Methoden würden wir vielleicht noch dem geozentrischen Weltbild
> > nachhängen... Es gibt momentan keine andere Methode der
> > Erkenntnisgewinnung, die auch nur annähernd genau, zuverlässig und
> > reproduzierbar ist.
>
> Selbstverständlich! Entscheidend ist erstmal die Empirik. So wurde ja
> das Wissen über die Mittel zusammengetragen. Tausende von Versuchen
> an Gesunden im Vergleich mit den Ergebnissen bei Kranken.
Wissen wird es erst dann, wenn die Informationen (denn mehr sind die
Ergebnisse zunächst nicht) zusammengefaßt und nach bestimmten
Methoden und Kriterien ausgewertet wurden. Und da ist zuallererst
Disziplin gefragt. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, daß aus
korrekten Daten fehlerhafte Schlüsse gezogen werden, daß das
erwartete Ergebnis herbeigerechnet wird.
> > > Nur leider wollen sich die wenigsten Kritiker auf solch ein Terrain
> > > bewegen. Schade eigentlich, denn ich bin mir sicher, dass das
> > > Ergebnis solcher Untersuchungen uns allen nur Nutzen kann.
> >
> > Vielleicht stehen sie auf dem Standpunkt, daß sich die Homöopathie,
> > will sie sich der Schulmedizin nähern, von sich aus aktiv werden muß.
> > Ich habe allerdings den Eindruck gewonnen, daß vor allem die Anhänger
> > der Homöopathie sich nicht von ihrem Terrain wegbewegen wollen. Irre
> > ich mich da?
>
> Du irrst Dich insofern NICHT, dass die Homöopathen nicht weg wollen
> von der sogenannten Anamnese (Fallaufnahme) und nicht weg wollen vom
> simile-Prinzip. Nur das lässt sich in einer herkömmlichen
> Doppelblindstudie nicht einhalten. Wir müssten den Homöopathen
> gestatten, die Kontrollgruppe einzuschränken (gemäß dem
> Simile-Prinzip die Arznei wählen zu dürfen) und das wird wieder nur
> Angriffsfläche für Kritiker bieten.
Na, gegen Anamnese dürfte kein Mediziner was einzuwenden haben. Und
was das umstrittene Simileprinzip betrifft; es bedarf nach wie vor
des Nachweises seiner Wirksamkeit. Und den Beweis muß der antreten,
der die Behauptung aufstellt. Mit geeigneten, von beiden Seiten
anerkannten Mitteln, ansonsten kommt kein Konsens zustande.
> Es ist schon echt traurig, denn ich bin mir sicher, dass sich vieles
> an Kosten im Gesundheitswesen einsparen ließe, denn Homöopathie ist
> nicht teuer. Und so mancher Patient käme um eine schmerzvolle
> Leidensphase und Reha-Maßnahmen herum, wenn die Rettungssänitäter,
> Notärzte aber auch Passanten alle ein Fläschchen Arnica C200 in der
> Tasche hätten...
> Aber es müsste sehr viel mehr an Zeit und Geld in die Ausbildung der
> Ärzte gesteckt werden und das werden die meisten nicht wollen.
> Welcher Chefarzt will schon gerne nochmals die "Schulbank" drücken
> müssen?
Ich kann mir darüber kein Urteil erlauben.