Habe schon viele Endspiele gesehen. Das erste 1970. Aber heute war es für mich, der ich normaler Weise versuche Superlative zu vermeiden, das Beste. Und das Argentinien gewann, war das einzig gute an diesem grauenvollen Jahr 2022. Obwohl ich auch mit Frankreich als Meister hätte leben können.
Suchslands Berichte, auch das will ich schreiben, haben mir gefallen. Unterwegs habe ich gelernt, dass Pasolini Fußball mochte. Wusste ich nicht, obwohl ich seine Filme mag, wenngleich ich seine Hundert Tage nicht mehr sehen muss. Ein Film, den jeder einmal gesehen haben sollte, den einmal zu sehen aber reicht.
Natürlich findet Fußball nicht in einer anderen, unpolitischen Welt statt. Wer meint, man dürfe Fußball wegen der Gegebenheiten beim Veranstalter nicht sehen, ok, der sollte aber auch sein Handy wegen der Bedingungen bei der Förderung von Seltenen Erden in Afrika zurückgeben. Wir wissen, dass diese Aufzählung, was man alles aus seinem Leben zu verbannen hat, wenn man die gleiche moralischen Maßstäbe anlegt, sehr lang werden könnte. Das mag jeder für sich entscheiden, mir aber meine Entscheidung selbst überlassen und mich nicht mit Hypermoralismus und sehr viel Kitsch quälen.
Die FIFA erklärte ein Experte in der ARD - es war wohl Hitzlsperger - lebt in einer Parallelwelt. Mag sein, er ist der Experte. Nur habe ich gelegentlich den Eindruck gehabt, dass die deutsche mediale Wahrnahme im Abseits ist und der Verband auch. Ich las, dass noch nie so viele Menschen die Spiele im TV sahen. Die Organisation war ohne Fehl und Tadel und ungewöhnlich viele Spiele gut anzuschauen. Ob die Welt, nicht die parallele sondern die, wie wir sie kennen, den deutschen Standpunkt teilt, ist nicht zwingend richtig. Ich tauge zwar als Prophet nicht wirklich viel, prognostiziere aber, dass Infantino mit einer überzeugenden Mehrheit wiedergewählt wird. Auch oder vielleicht weil sich der deutsche Verband gegen seine erneute Wahl aussprach. Ich denke diese Wahl wird ein Indikator für die Frage sein, wer neben der Realität steht.
Der DFB hat sich und Deutschland in einer Weise blamiert, die bei dem, was hier medial verbreitet wird, nicht wirklich deutlich wird. Nein, ich meine damit nicht, dass man frühzeitig ausschied. Dass man in einem Wettkampf scheitern kann, gehört zu den Selbstverständlichkeiten. Jedem, der selbst Wettkämpfe bestritt oder bestreitet, ist das einsichtig und manchmal wünschte ich, dass andere einfach mal Zurückhaltung üben. Auch wenn ich weiß, dass dies ein frommer Wunsch bleiben wird. Die DFB-Auswahl, das wurde heute noch mal deutlich, ist einfach nicht so gut, wie die beiden Finalsten. Sowas ist keine "Blamage", es ist Sport.
Blamiert hat man sich mit dem wokeschistischen Getue. Selbstverständlich sind das System der Ausbeutung und die politischen Verhältnisse in Katar kritikwürdig. Wenn der Verband und die Spieler gesagt hätten, sie werden nicht auf den Leichen der vernutzten Arbeiter spielen , hätten sie meinen Respekt gehabt. Sie hätten zwar nicht Leben und Freiheit riskiert, aber durchaus auf Geld und Reputation verzichtet. Das aber wollten sie offenkundig nicht. Wenn sie aber hinfahren und spielen wollen, dann haben sie sich an die Regeln zu halten, wozu der ganze Zirkus um die Kapitänsbinde gehört. Wenn Regeln für alle gelten, dann auch für den DFB. Was daran ist so schwer zu verstehen? Und ihr folgenloser Gratismut war sofort gebrochen, als ihnen der Weltverband erklärte, es gäbe für das Auflaufen mit der falschen Binde gelbe Karten. Nicht Auspeitschen, Kerker, Köpfung, sondern gelbe Karten. So wie ich es beobachtete, ergoss sich jenseits der medialen westeuropäischen Blase nur Hohn und Spott über uns.
Den Gipfel der Peinlichkeit bot dann unsere Innenministerin, die hinfuhr und mit unbedeckten Armen und dieser Binde auf der Tribüne eines Spieles saß. Wie mutig! Trotzte sie doch der Gefahr, vor laufender Kamera verhaftet zu werden. Mindestens.
Wieder dieser lächerliche Gratismut.
Nur, was solls. Das heutige Spiel entschädigte für alles. In dieser und in allen denkbaren Parallelwelten.