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  • Axel Farr

mehr als 1000 Beiträge seit 06.05.2002

Ungenaue Übersetzung und "Feindbild" Neocons

Ich war erst mal baff erstaunt dass ein amerikanischer Autor so etwas von sich gibt:

Nach gängiger Geschichtsschreibung war Japan im August 1945 de facto besiegt und zu einer bedingten Kapitulation bereit. Die USA wollten jedoch eine bedingungslose Kapitulation. Sie schätzten auch, dass die Eroberung Japans eine Million amerikanische Opfer kosten könnte. Daher entschieden sie sich, Hiroshima und Nagasaki zu zerstören, um eine bedingungslose Kapitulation ohne solche Verluste zu erreichen.

Der Übersetzer war hier jedoch etwas zu großzügig, was man als Deutscher ja scheinbar gerne ist wenn's ums "Amerika-Bashing" geht. Das Original liest sich jedenfalls so:

According to standard history, in August 1945, Japan was de facto defeated and had signaled willingness to “conditionally” surrender. However, the US wanted “unconditional” surrender. It also estimated conquest of Japan might cost a million US casualties. Consequently, it elected to destroy Hiroshima and Nagasaki, thereby achieving unconditional surrender without such casualties.

Es ist schon ein kleiner, aber feiner Unterschied zwischen "war zu einer bedingten Kapitulation bereit" und "hatte die Bereitschaft zu einer (in Anführungszeichen) bedingten Kapitulation signalisiert". Auch waren die Amerikaner keineswegs so sicher, dass den Atombomben-Abwürfen unmittelbar die bedingungslose Kapitulation Japans folgen würde wenn man dem ursprünglichen Wortlaut folgt.

Was aber das Original und die Übersetzung eint: Es ist da im Original von "neocons" die Rede, in der Übersetzung werden daraus "Neokonservative". Schaut man sich den Artikel über Neokonservatismus in der Wikipedia an, dann merkt man eigentlich relativ schnell dass hier nur ein politische Einstellung aus der Zeit des Kalten Krieges versucht wird in die Neuzeit zu retten - wo diese Auffassung angesichts der Vielzahl an Problemen, in die Amerika durch den "Krieg gegen den Terror" hineingerutscht ist eigentlich an Bedeutung verloren hat.

Mit anderen Worten: Der Ausdruck "Neocons" wird im Original nach meiner Auffassung so benutzt, wie ihn Antisemiten in Europa verwendet haben, um ihre Gegner zu diffamieren. Er wird so benutzt, wie die türkische Regierung die Gülen-Bewegung für den Putschversuch 2016 verantwortlich macht - einen fernen, nicht greifbaren Gegner, der böse ist und der all das, was man schlecht findet zu verantworten hat.

Nur um konkret bei den "Neo-Konservativen" zu bleiben: Dies ist eine politische Grundhaltung, die im Moment in keiner der beiden großen Parteien der USA mehr von den jeweiligen Führungskräften vertreten wird. Die Leute um Donald Trump wollen dass die Reichen weiter noch mehr und einfacher Geld scheffen können, darum freuen sie sich dass dieser ehemalige Präsident ein so toller "Leute-Verarscher" ist und die andere Seite (Kamala Harris und ihr Vize) wollen einfach, dass die Leute das mitbekommen und dann doch möglichst nicht Trump wählen, sondern die Demokraten.

Die USA können nicht mehr annähernd so viel wuppen wie noch vor 20 Jahren - den Neokonservativen (unter Reagan, Bush sen. + Bush Junior) sei es gedankt. Mittlerweile sind nämlich alle Kronjuwelen weg (privatisiert), die Infrastruktur wurde nicht erneuert, die Staatsausgaben tief ins Minus gefahren (Steuersenkungen) und der Staat musste Billionen Dollar in die Hand nehmen um ausgerechnet die zu retten, die sich vorher nicht genug an den Reformen der Neokonservativen bereichern konnten (Bankenkriese). Soll heißen: Man kann zwar toll "Neocon-Bashing" betreiben in Amerika, aber vermutlich wird man nur um den Kern des Problems drum herum reden.

Und die Atombomben? Russland wird keinen Anlass bekommen strategische Atomwaffen einzusetzen. Falls Russland so dumm sein sollte (warum auch immer) taktische Atomwaffen einzusetzen hoffe ich, dass der Westen dann zusammensteht um Russland in seine Schranken zu weisen.

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