Soweit ich weis war die Hungersnot in der Ukraine kein Betriebsunfall eines vermeintlich sozialistischen Experiments, sondern die gezielte Säuberungs- und Vernichtungsaktion des Stalinismus, der im Kern mit den ursprünglichen Zielen und Idealen der Revolution brach und das russische Zarenreich in modernerem Gewand beerbte. Ersteres wird bei der Rehabilitierung Stalins als angeblich großer Held des Vaterländischen Krieges in den östlichen Gebieten der Ukraine und Russlands gerne unterschlagen, letzteres positiv umgedeutet. Dass viele der Opfer des Holodomor keine grundsätzlichen Gegner der sozialistischen Idee waren, sondern selbst linke, insbesondere Anarchisten, die den brutalen Methoden der russischen Revolutionäre kritisch bis ablehnenden gegenüberstanden, wird dabei gerne Unterschlagen.
Dieser Aspekt fällt in der populärwissenschaftlichen/medialen Aufarbeitung vor allem deshalb völlig unter den Tisch, weil überall auf der Welt konservative, reaktionäre und neoliberale Kräfte den Ton angeben - Qualitativ wie Quantitativ mit steigender Tendenz. Die "neue" Rechte ist dabei (selbst in "westlichen" Demokratien) gar keine neue, bedrohliche Erscheinung, sondern die radikalisierte Form des seit dem Zerfall der Sowjetunion unbestritten vorherrschenden, sozialdarwinistischen Gesellschafts- und Menschenbildes welches der neoliberalen Ideologie zugrunde liegt. Unter diesen Umständen ist eine sachliche, historische Aufarbeitung von Jahrhundertverbrechen wie dem Holodomor so gut wie unmöglich. Es wird nur ein weiterer historischer "Beweis" konstruiert um echte politische Alternativen zum Neoliberalismus zu diskreditieren.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (08.09.2017 15:42).