RalphIIIHarzIV schrieb am 27.01.2019 14:42:
Inwiefern Canaris ein Widerstandskämpfer oder Held gegen Hitler und die Verbrechen der Wehrmacht ist, ist unter Historikern sehr umstritten.
Immerhin hat er die ganzen Schweinereien des 2. WK als Chef der Abwehr ja vorher mit vorbereitet und durchgezogen.
Wie stark er an der im Artikel besprochenen "Blockade von Leningrad" beteiligt war, weiß ich jetzt allerdings nicht im Detail - ich nehme aber schon an ziemlich stark.
Auf der anderen Seite hat aber jeder Mensch auch das Recht Fehler zu erkennen und sich zu ändern.
Nicht jedem war die Eskalation, die das 3. Reich und Adolf Hitler nehmen würde, sofort von Anfang an klar. Einigen schon - aber nur sehr wenigen!
Nun kann man argumentieren er war nur Opportunist und als er gesehen hat, daß Nazi-Deutschland und der Krieg verloren geht, hat er schnell die Seiten gewechselt.
Mag sein.
Paßt aber nicht so richtig, denn warum als Opportunist dafür ins KZ gehen und sterben?
Danke. Das war eine wohltuend-sachliche Schlilderung ohne jeden Pathos und ohne übereifrige Heldenverehrung.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass große Persönlichkeiten der Geschichte in keine Schublade passen. Wenn man sich diese Menschen anschaut, stellt man fest, dass ihre Beweggründe, die Quelle ihres Handelns, verborgen bleiben. Sie sind nicht rechts, nicht links, weder nationalistisch noch "wir sind doch alle Freunde" und weder Pazifisten noch Bellizisten. Offenbar treibt sie eine andere große Kraft, die verborgen ist. Vielleicht heißt diese Kraft schlicht und einfach Vernunft. Und zwar eine so große Vernunft, dass sie zwar das Wohl der eigenen Nation an erster Stelle sehen, das Wohl anderer Nationen aber nur kurz danach und Lösungen suchen und erbringen, die allen Nationen zum Vorteil gereichen.
Der häufig als erzkonservativ verleumdete Bismarck hat Deutschland mit einem Trick und einem Krieg geeinigt. Gleichzeitig hat er ein Bündnissystem des gegenseitigen Friedens geschaffen.
Gustav Stresemann hat Deutschland zum Teil vom Joch des Versailler Vertrages befreit. Dabei hat er aber auch die Interessen der Anrainerstaaten berücksichtigt und war stets um Ausgleich bemüht. Er wurde besonders von ausländischen Politikern hoch geschätzt und verehrt. Er versprühte den Geist eines vereinten Europas zu einer Zeit, als die mächtigen Industrienationen Europas auf Krieg standen. Schaut man sich die wenigen Filmdokumente zu seinem Trauerzug an, läuft einem der kalte Schauer über den Rücken, angesichts der tiefen Trauer, die sein Ableben erzeugt hat.
Man kann schon heute sehen, dass Wladimir Putin ein ähnliches Kaliber hat. Er hat die Ausplünderung und den Zerfall zu einem failed state Russlands gestoppt und legendäre ist seine Rede als erstes russisches Staatsoberhaupt vor dem Deutschen Bundestag - auf deutsch. Trotz der 28 Millionen russischen Toten hat er die Hand gereicht. Wir vergessen die Vergangenheit, die nicht dem deutschen Volk an sich, sondern den Nationalsozialisten anzurechnen ist, und bauen eine gemeinsame Zukunft mit zwei Völkern, die kulturell und in Gedankentiefe auf Augenhöhe stehen (anders als kulturlose de facto-Besatzer). Putin hat - kurz vor dem Eingreifen Russlands in Syrien - seine Vision von der Einhaltung des Völkerrechts dar gelegt und aufgezeigt, dass in einer mulitpolaren Welt die Großmächte sich gegenseitig respektieren sollen. Innerhalb von nur drei Jahren hat er den IS in Syrien besiegt. Mit realpolitischen Mitteln. Die fanatischen IS-Marodeure waren immun gegen sachliche Argumente und wurden mit dem einzig wirksamen Argument - Gewalt - an den Verhandlungstisch gezwungen. Anstatt Städte einzunehmen, hat Russland die Terroristen in eine Lage gebracht, verhandeln zu müssen und ihnen sogar freien Abzug gewährt.
Was ich sagen wollte: große Persönlichkeiten der Geschichte sind jenseits jeder plumpen und platten Ideologie. Sie erkennen, dass es einache Lösungen nicht gibt. Sie steigern sich nicht in das primitive ich-will-die-welt-retten-Pathos hinein, sondern machen eher kleine und nachhaltige Schritte in Richtung einer besseren Zukunft.