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  • joribo

mehr als 1000 Beiträge seit 06.09.2013

Re: Windkraft ist keine "Branche" oder "Firma"

oxybenzol schrieb am 11.05.2023 12:35:

Mit dem Kommentar hast du doch aber das hire and fire widerlegt. Das Problem liegt nicht bei der Gewerkschaft sondern bei der Politik.
Wenn die Probezeit nicht ausreicht um die Fähigkeiten zu erkennen, dann kann man auch nen befristeten Arbeitsvertrag mit garantierter Verlängerung beim Erreichen bestimmter Zielmarken abschließen. Oder ist das gegen das Gesetz?

nicht ganz.
Soll auch nicht missverstanden werden.
Die Gewerkschaften haben Kündigungsschutz erarbeitet um ungerechtfertigte Kündigungen, etwa von politisch unbeliebten Personen oder Betriebsräten, zu erschweren.
Das halte ich für ok und völlig normal. Will also nicht auf die Gewerkschaften oder sonstige Arbeitnehmervertreter schimpfen.

Aber die gesamte Arbeitskultur ist dahin gerutscht dass man VOR jeder Einstellung erstmal akribisch prüft ob man die Person auch schnell wieder los wird und welche Qualitäten der Kandidat hat. Diese Prüfungen basieren jedoch auf der Annahme dass es sich um normale Firmen handelt. Diese Kriterien versagen hier in der Windkraft!

Windkraft ist keine Branche! Es gibt dort keine "Firma"!
Es ist ein Konglomerat von verzweifelten grossgewordenen Startups die sich in ruinöser Konkurrenz über Wasser halten, allesamt an der Existenzgrenze. Fast alle von Abenteurern oder Sprungbrettlern als Geschäftsführer durchsetzt, vielfach von irgendwelchen internen Subventionen am Leben gehalten. Der Markt ist um Faktor 5 überbesetzt mit Produktionskapazitäten, es müssen 4 von 5 Pleite gehen um stabile Verhältnisse zu schaffen. (in meiner Kern-Zeit also den 80ern bis ca 2010) war es der Faktor 10).
Es sind über 100 Firmen in die Windkraft reingesprungen und wieder rausgefallen! Das muss man sich mal klarmachen wenn man mit normalen Firmen vergleicht.
In dieser Situation sind die Windkraft"firmen" im Chaos, und es kämpft jeder gegen jeden. Die Arbeitgeber untereinander, weil niemand der erste sein will der gehen muss. Die Firmen untereinander mit teils illegalen Methoden. Vertragsbruch, gezieltes Verbreiten von Lügenmärchen, Intrigen, Betteln um Subventionen, etc etc.

In diesem Chaos gelten dann auch andere Regeln zur Beurteilung von Personen. Der Headhunter findet zu jedem auch noch so guten Ingenieur 50 Personen die ihn als völlig unfähig bezeichnen. Aber JEDER dieser Dreckschleuderer hat ebenso 50 andere die IHN als unfähig bezeichnen.

Es kommt häufig zu Zeugnis-Fälschungen, etwa dass jemand in der Pleitefirma schnell jemandem anders ein Zeugnis schreibt dieser sei Konstruktionsleiter gewesen. War er nie, nur kleiner Sachbearbeiter. Aber die Firma geht Pleite, löst sich auf und der Headhunter kann es nicht mehr nachvollziehen was stimmt.

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Nochmal 2 typische Beispiele was sich so abspielt in der Szene:

1. Eine Firma sucht einen Rotorblattexperten. Ich kann Rotorblätter konstruieren, das ist aber nicht mein Spezialgebiet. Die Frau ruft mich an (alles auf englisch), ob ich daran Interesse hätte, ich hätte immerhin in dem Bereich gewirkt und sei bekannt. Ich sage: "ganz ehrlich, es gibt da Leute die ihr ganzes Leben NUR Blätter konstruiert und berechnet haben, so einer passt besser zu dem was Sie suchen." Und gebe ein paar Tips wo man gute Experten finden könnte. Die Frau dankt mir überschwenglich und ich frage: "darf ich mal ganz indiskret was fragen?"
"Ja, natürlich"
"Warum danken Sie mir so viel für eine winzige Information?"
"Ich danke für Ihre Ehrlichkeit (honesty), jeder andere hätte sofort gesagt er wäre der grösste Rotorblattexperte in ganz UK und sich vorgedrängelt um den Job zu kriegen".
Das zeigt wie hart gekämpft wird um jeden Job in einer sterbenden "Branche".

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2. ich bin als Leiter der Konstruktion & Entwicklung 1992 mit in den Geschäftsführungssitzungen. Der oberste Boss sagt "wie können wir denn die Konkurrenz schädigen?" Der Service-Chef meldet sich zu Wort und sagt: "Also die Firma E hat fast nur Betontürme, wir haben Stahltürme, kann man daraus was machen?"
"wunderbar" sagt der oberste Geschäftsführer "Wenn sie auf Servicetour sind, erzählen Sie jedem Kunden lautstark, dass alle Türme von E voller Risse seien, der Beton bröckelt raus und die Jungs seien hinterher mit Sanierungsmassnahmen. Wenn das Gerücht erstmal verbreitet ist läuft es von alleine weiter." Der Servicechef sagt "ok mach ich".

Ich kann von sowas hunderte von Beispielen bringen

Es werden auch gekaufte Zeugenaussagen mit falschem Inhalt erstellt. So die Getriebefirma M die sich aus ihren selbst verursachten Qualitätsmängeln rausreden wollte vor Gericht und sich aus DK dann 2 Gutachten machen liess, die grobe Fehlaussagen enthielten. Kam zufällig auf meinen Schreibtisch. Ich habe die Gegenseite informiert, mich jedoch aus dem Prozess rausgehalten. Keine Lust als Zeuge nach Schweden zu reisen und da ggfs selber beschuldigt zu werden.

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Und in dieser Situation sind die normalen HR oder Headhunter völlig überfordert, sie treffen grobe Fehlentscheidungen, und ein Arbeitssuchender hat keine Chance in dem Sumpf der sich widersprechenden Dreckschleudereien, Beschuldigungen, falschen Zeugnissen, gekauften Fehlaussagen von dritter Seite.

Da ist es ein reines Lottospiel ob ein fähiger Mann von HR oder Headhunter als fähig oder als Versager eingestuft wird. Sofern genug Dreckschleuderei umgeht, bekommt er nie die Chance einer Probezeit, in der er sich dann als Profi positionieren kann, weil er rundweg abgelehnt wird.
Deshalb ist das klassische System mit Probezeit in der Windkraft nicht anwendbar.

Sehr wohl aber in einer hire&fire-Arbeitswelt.

Und je mehr die gesamte Industrie in diesen Sumpf des Liberalismus mit ständig wechselnden Investoren rutscht und alle gehen Pleite oder werden aufgekauft oder ändern dasTätigkeitsfeld oder gliedern ganze Bereiche in die Selbständigkeit aus etc etc desto mehr kommen Windkraft-Verhältnisse auf und das klassische HR/Headhunter-System versagt.

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