Antisemitisch oder Verhöhnung aller Opfer des NS?

Bemerkenswert ist, dass das Interview mit dem Historiker Wolfgang Benz, ehemaliger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, in der SZ vom 30.08.23, medial kaum Beachtung findet. Er hatte erklärt, das inkriminierende Flugblatt sei, trotz seiner unerträglichen „Konnotation mit dem Judenmord“, als neonazistische „Verhöhnung aller Opfer des Nationalsozialismus“ zu verstehen, aber nicht als „antisemitisches Hetzblatt, wie es aus Entrüstung überall genannt wird“.

Ich halte dies im Hinblick auf den Wortlaut des unsäglichen aiwangerschen Pamphlets für eine richtige Bewertung. Die subtile Verbannung der zahllosen nichtjüdischen Opfer des Nationalsozialismus aus dem öffentlichen Diskurs relativiert deren Leid.

Aber die staatsräsonal zelebrierte deutsche Gedenkkultur hat ja bereits so Vorbildliches geleistet, dass es auf die nichtjüdischen Opfer nicht mehr ankommt!? Zumal etwa ein als „antirussisch“ bezeichnetes Flugblatt z.Zt. wohl eher kein „Aufreger“ wäre!