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  • cip22

mehr als 1000 Beiträge seit 08.11.2000

Ist Woznicki sauer, daß Pelton nicht nominiert wurde?

»Seine Mission beschreibt eine ganz dünne Linie zwischen
Adrenalinsucht und Aufklärung.«

So schreibt Woznicki in dem gelinkten Artikel "Der Houdini des 21.
Jahrhunderts" über Robert Young Pelton. Der ganze Artikel ist eine
einzige tiefe Verbeugung vor dem Mann, für den offenbar
Aufklärungsarbeit und Reisejournalismus als der 'letzte Kick' ein und
dasselbe sind. So weit gut.

Was aber soll jetzt hier in dem Artikel über den Ulysses Award dieser
Angriff auf den vermeintlichen Autorenkult? Während gleichzeitig in
durchaus abfälliger Weise der 'Krisenherdjournalismus' als
'inoffizielle Form des Tourismus' gekennzeichnet wird? Und ganz am
Schluß taucht dann Pelton auf, der sowohl den Kult des Solitärs
bedient als auch ein ebensogutes Beispiel für »Journalismus als
romantischer Extremtourismus« darstellt wie Peter Arnett, aber als
positives Gegenbeispiel - Stichwort 'Kollektive Autorenschaft'?

Und was hat das Auftreten von Journalisten in Horden (embedded oder
im Troß der Hilfsorganisationen) mit genau diesem Phänomen
kollektiver Autorenschaft zu tun? Ich kann mir einfach keinen Reim
drauf machen.

Ich habe Politkovskajas Reportage gelesen und muß sagen, daß ich von
ihrem Mut, ihrer Beobachtungsgabe und ihrer Klarheit beeindruckt war.
Solche Texte, und das ist wohl die Pointe des Preises, entstehen nur,
wenn jemand hinfährt, die Augen aufmacht und beschreibt, was er
sieht, statt Agenturmeldungen wiederzukäuen und sich dabei ganz auf
die gängigen Metaphern (und das Futter für diese - in Form von
bezahlten Verlautbarungen irgendwelcher PR-Agenturen oder
halbseidener 'Zeugen'berichte wie in Jugoslawien oder Irak) zu
verlassen. Wenn der Kult des individuellen Autors zum Gegenstand hat,
daß ein Mensch in der Lage ist, zu Einsichten zu kommen, indem er
sich vor Ort mit den Ereignissen und ihren Akteuren auseinandersetzt,
dann bin ich ab heute ein Anhänger dieses Kultes.

Wohlgemerkt beinhaltet dieser Kult (in der von mir bevorzugten
Fassung) auch das Element der Unparteilichkeit - sprich: wenn am
Schluß der Leser Partei ergreift, dann gerade *nicht*, weil das schon
der Journalist getan hat, möglichst in Absprache mit dem jeweiligen
Verteidungsminister (vgl. 'Journalism of Attachment')...
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