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754 Beiträge seit 04.12.2000

Öhm... Auszeit bitte!

Wieder mal viel zu viel geschrieben, also stell ich einfach mal eine
Zusammenfassung für Lesefaule vorne dran:

- Spiele können durchaus Einfluss auf Leute haben
- Verbot doof, weil wirkungslos (und zuviel Kollateralschaden)
- Politikerbashing wg. Sophisterei aber auch doof
- wieso kein Versuch der Ursachenbekämpfung?

Eins vielleicht vorneweg, ich bin selber bekennender
"Killerspielspieler". Zwar spiel ich kein CS, aber First Person
Shooter habe ich seit dem Spiel mit den Wölfen und den Steinen mit
größtem Vergnügen gespielt; ich habe also knapp 14 Jahre "Erfahrung"
mit dem Genre. Bei meiner "Initiation" damals war ich auch noch weit
von der Volljährigkeit entfernt.

Trotzdem bin ich ein friedfertiger Mensch, der die virtuelle Welt von
der echten unterscheiden kann. Allerdings gibt es meiner Erfahrung
nach definitiv einen "Aufschaukelungseffekt", der bei Menschen mit
entsprechenden Neigungen zum Tragen kommt.

Meinen Beobachtungen nach ist erkennbar, dass (bei Menschen mit
entsprechenden Neigungen) eine Affinität zu Schusswaffen durch das
Spielen von entsprechenden FPS gefördert wird. Das funktioniert
bestimmt auch andersrum - allerdings kenne ich persönlich wesentlich
mehr "Gamer", deren Interesse an Schusswaffen durch FPS gefördert
werden, als ich z.B. Mitglieder von Schützenvereinen kenne, die durch
den realen Umgang mit Handfeuerwaffen den Geschmack an FPS gefunden
haben (das Alter ist da kein Ausschlaggebender Faktor, da hier genug
junge Leute in Schützenvereinen sind).

> Die Politiker der großen Koalition sind einer Meinung. Ihnen scheint
> unerheblich zu sein, dass der 18-Jährige bereits ein Erwachsener war, bei dem
> Verbote von Spielen kaum mehr etwas fruchten würden.

Solche Aussagen sind IMHO kontraproduktiv. Es ist sehr, sehr, sehr
wahrscheinlich, dass er schon Kontakt zu Shootern hatte, bevor er 18
Jahre alt geworden ist. Natürlich kannte ich die Person nicht und
kann deshalb auch nicht sagen, ob er schon von der Volljährigkeit
Shooter gespielt hat. Der Erfahrung nach ist allerdings davon
auszugehen, dass die betroffene Person in diesem Fall schon lange vor
der Volljährigkeit "Killerspiele" gespielt hat. Ich sage gleich noch
was zur Unsinnigkeit eines generellen Verbots von "Killerspielen",
aber solche Sophistereien wie oben zitiert werdem der Problematik
nicht gerecht und versorgen allerhöchstens die "Gegenseite"  mit
Munition dafür, dass man vor dem Problem ja einfach nur die Augen
verschließen würde.

Was ganz klar ist: so etwas wie dieser Vorfall passiert nicht von
jetzt auf gleich einfach so. Sowas entwickelt sich über eine lange
Zeit, bis es sich dann schließlich (in diesem Fall leider
katastrophal) entlädt.

Ich wage mal ganz frech die folgende Behauptung aufzustellen:
Computerspiele mit gewalttätigem Inhalt haben definitiv einen
Einfluss auf die Spieler.

ABER: wie genau dieser Einfluss sich äussert, ist von Person zu
Person unterschiedlich, da gibts kein One-Size-Fits-All. Dem einen
hilft es beim Abbau von Aggressionen und bei der Entspannung, bei
jemand anderem jedoch können vorhandene Gewaltphantasien verstärkt
und eine Scheinwelt zementiert werden, in die man sich aufgrund der
Unerträglichkeit der echten Welt geistig zurückgezogen hat.

Ein generelles "Verbot" von Killerspielen hilft nicht weiter, da es
auf dem Papier zwar zu einem wohligen warmen Gefühl in der
Magengegend diverser Politiker führen würde, der gewollte Effekt
jedoch einfach verpuffen dürfte.

Solange solche Spiele gemacht werden, wird man auch an sie
drankommen. Wenn das nicht legal geht, dann eben illegal (was
heutzutage wahrscheinlich sowieso schon in den meisten Fällen
passiert). Die Produzenten werden wohl kaum damit aufhören,
"Killerspiele" herzustellen, nur weil sie offiziell in Deutschland
nicht mehr verkauft werden dürfen... es gibt ja auch noch genug
andere Absatzmärkte. Ein Verbot führt einzig und allein dazu, dass
solche Spiele noch wesentlich interessanter für die potentielle
Zielgruppe werden, als sie es ohne Verbot wären.

Ausserdem gibt weitaus mehr Menschen, die charakterlich gefestigt
genug sind, um eben NICHT von "Killerspielen" negativ beeinflusst zu
werden und die NICHT zurückgezogen in eigenen Traumwelten leben.

Die Frage muss viel eher sein, wie man diesen Rückzug aus der
Realität bekämpfen kann, wie man verhindern kann, dass solche
Menschen sich verlieren und eben irgendwann austicken. Wie kann ein
solches Vakuum überhaupt entstehen, dass dann unter anderem eben auch
mit "Killerspielen" gefüllt wird? Der Ruf nach einem Verbot von
"Killerspielen" ist der absolut klassische Fall vom Herumdoktoren an
Symptomen, währen die Krankheit sich fröhlich weiter ausbreitet, ohne
auch nur wahrgenommen zu werden.

Aber auch hier kann man eben nicht einfach mit einem Gesetz oder
Verbot agieren. Gesetz zum Glücklichsein? Verbot von seelischer
Vereinsamung? Das ist ein tiefgreifendes gesellschaftliches Problem
mit vielen Ursachen, für dass es keine Patentlösung gibt.

Was mich persönlich noch viel mehr erschreckt als ein Amoklauf wie
dieser: die Hilflosigkeit einer Politik und Gesellschaft, die sich
den wahren Problemen nicht stellen will.

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