Man sollte die jungen Leute auch mal ernstnehmen. Im Überschwang mögen sie zu illusorisch und wirklichkeitsfremd auftreten, aber sie sprechen auch Wahres an.
Kurz zu mir zur besseren Einordnung: Ich bin „Allesfresser“, wie meine Ahnen auch. „Der mit dem Wolf tanzt“, Szene: Biss in das Herz eines Büffels – da hat mein Magen geknurrt und das Wasser lief mir im Mund zusammen. Aber: Im Supermarkt kann man das nicht kaufen.
Im Winter eine Brühe aus gekochtem Rindfleisch mit Knochen – das gibt Kraft. Wenn ich als Kind die Wahl hatte zwischen gedünstetem Rosenkohl und paniertem Schnitzel, ach, meine Entscheidung behalte ich für mich. Eine frisch geangelte Forelle braten, dazu Kartoffeln und Salat, auch schmackhaft. Ein richtig gebratenes Hähnchen (nicht das fettige Zeug, das heutzutage in Imbißbuden verkauft wird) – mein Magen fängt wieder an zu knurren.
Nichts gegen vegetarische Küche: Beim Inder gibt es tolle Gerichte, auch im häuslichen Römertopf lässt sich Gemüse sehr lecker zubereiten. Vegetarier mögen es, Veganer dürfen nicht: Palak Paneer mit Papadam, my cup. Kartoffeln mit Quark, Spinat mit Spiegelei, auch nix für Veganer, für Vegetarier schon eher. Spaghetti mit Tomatensoße (Hauptmahlzeit im Studium), da könnten sich viele treffen.
Ich gestehe: Ich habe jeden Tag Hunger. Ging mir schon als Kind so. Damals war ich, glaube ich, unbewusst Veganer: Auf jeden Kirsch-, Mirabellen- und Pflaumenbaum bin ich geklettert, habe Maiskolben aus Feldern geraubt, Sauerampfer aus Wiesen entwendet, Brombeeren aus Sträuchern am Waldesrand abgestaubt. Das ging ruckzuck. Kaum gesehen, schon gegessen. Dennoch habe ich mir das sonntägliche Stück Fleisch schmecken lassen. Mit Nudeln, Reis, Kartoffeln, egal, Hauptsache Soße. Genug davon. (Jetzt habe ich richtig Hunger und muss Pause machen.)
Zurecht kritisieren nicht nur die jungen, sondern auch viele ältere Leute die Massentierhaltung, Massenproduktion von Fleisch unter der Maßgabe „immer billiger“. Diese Massenproduktion ist „unmenschlich“ und „untierisch“. (In Anführungszeichen, weil tatsächlich von Menschen gemacht, also nicht „unmenschlich“, und weil auch das Tierreich sehr wohl gerne Fleisch anderer Tiere zu sich nimmt.) Die Massenproduktion von Fleisch weitergedacht, insbesondere unter den heutigen politischen Bedingungen, führt zu „Soylent green“. Die Menschenherde wird auch nicht artgerecht gehalten.
Dass der Schmusehase im Osterbrattopf landet, ist natürlich eine erschreckende Erkenntnis für Heranwachsende, wiewohl es ihnen schmeckt. Damit stehen sie vor der Frage, die hier aufgeworfen ist und zu der man Stellung beziehen sollte. Ich – meine Meinung – bin gegen die Massenproduktion von Fleisch („Formfleisch“, kommt ja noch hinzu) unter industriellen Bedingungen, die zudem noch sämtliche Menschenrechte der dort Tätigen außer Acht lässt.
Es gibt Gegenmodelle, nicht nur in der „Bio-Landwirtschaft“. Ein Fleischermeister, der Hausschlachtungen durchführt, hat mir mal seine Anlage gezeigt – da war das Schwein glücklich bis zum Fall des Beiles, sozusagen, hat nichts mitbekommen. Und das ist die nächste Frage, die sich jeder für sich beantworten muss: Wer Fleisch essen will, muss bereit sein, zu schlachten. Interessant, welche Unterschiede in der Beantwortung zu Tage kommen: Fisch, Huhn? Kein Problem. Schwein, Rind? Schwieriger.
Eine Kehrseite ist, dass Schweine und Rinder als Art nicht lange überleben würden, wären sie keine „Nutztiere“. Gilt auch für Schafe, Ziegen, Hasen, Hühner. Wer würde diese Tiere halten, wenn sie keinen Nutzen brächten? Die Domestizierung von Tieren zu Nutztieren diente dem gegenseitigen Arterhalt.
Woran es fehlt, ist der Respekt. Der Respekt vor einem Lebewesen, dass man zu töten und zu verspeisen beabsichtigt, um das eigene Leben zu erhalten. Und so, wie die industrielle Revolution den Menschen zur verwertbaren Arbeitskraft herabgewürdigt hat, würdigt sie jegliches Leben herab, würdigt sie Leben überhaupt herab. Und in der Hinsicht bin ich mit den jungen Leuten einer Meinung.