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  • Emrymer

mehr als 1000 Beiträge seit 28.08.2020

Isolation und die Möglichkeit, Erfahrungen zu vergleichen

Ich frage mich, ob die Gewalterfahrung heutzutage nicht sogar noch intensiver ist, als damals!? Damals blieb einem nichts anderes übrig, als es abzuhaken, heute wird man durch dauernde Triggererfahrungen permanent weiter verletzt.

Möglicherweise spielt in die Frage, wie heftig Gewalt erfahren wird, noch ein anderer Aspekt mit hinein:

Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen.

In einer sozial stark vernetzten Umgebung, in der jeder jeden kennt und jeder über jeden redet, bekommen Kinder natürlich auch mit, wie über Gewalt geredet wird. Das heißt, ganz beiläufig schnappen sie auf, was in ihrer Umwelt passiert, was von den Erwachsenen als "völlig normal" betrachtet wird, was als ungewöhnlich, und wo Grenzen überschritten wurden. Sie konnten also auch die Gewalt, die sie selber erfahren haben, einordnen. Ja, der Hannes hat mal wieder Schläge gekriegt - aber dessen Familie ist ja auch bekannt dafür, dass der Mutter häufiger mal die Hand ausgerutscht ist und der Onkel bei der kleinsten Kleinigkeit noch zwei Straßen weiter zu hören ist. Den tröstet man dann. Aber der Hinz, dem hat der Vater 'nen Watschn gegeben, was der wohl gemacht hat? Wo in dem Haus doch sonst gar nicht geprügelt wird... Wie einzuschätzen ist, von wem man angeschrieen wird, wer die Hand hebt, wessen eventuell äußerst subtile Drohungen man sehr ernst nehmen muss - all das hat man gelernt, indem man beiläufig beobachtet hat, wie andere es getan haben und welche Folgen es hatte.

In einer relativ isolierten Umgebung, in der Kinder bei den Gesprächen der Erwachsenen kaum mehr je zuhören, entfällt diese "beiläufige Erziehung". Woran ordnen Heranwachsende dann ein, was ihnen passiert? An dem, was sie im Internet finden? Da finden die einen, "dass das noch gar nichts ist, da geht noch viel viel schlimmeres", und können darüber völlig verrohen - und die anderen finden, dass die Happy-End-Quote in ihren eigenen Erfahrungen irgendwie immer unbefriedigend niedrig bleibt, und werden unter Umständen zu Jammerlappen.

Tja, und dann treffen (zumindest ansatzweise) Verrohte und (zumindest ansatzweise) Jammerlappen auch noch aufeinander... kann es da wundern, daß der eine nicht versteht, wovon die Rede ist, und der andere sich permanent Gewalt ausgesetzt fühlt? Beiden fehlt der Abgleich mit ihrer direkten Umgebung, die weder so schlimm ist noch so edel, hilfreich und gut wie die, in die sie abgetaucht sind.

Kindergarten und Schule können da auch nur noch begrenzt helfen...

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