"Wie man reich wird", so lautet der Titel eines Buches von Donald Trump. Und darin findet man allerhand nützliche Haltungen gegenüber dem Konkurrenten oder dem dummen Volk beschrieben, in denen von Güte oder Wohlwollen nichts zu finden ist. Trumps "Karrieretipps" beschränken sich aufs Intrigieren und Verstellen, darauf, den grösstmöglichen Vorteil durch effiziente Selbstdarstellung zu erzielen. Das Buch ist für einen empathischen und autonomen Menschen schwer zu lesen, es strotzt nur so von Egomanie und Selbstbeweiräucherung, es könnte einem fast schlecht werden beim Lesen.
Wer reich ist, und damit meine ich nicht ein paar läppische Millionen, sondern Euro- oder Dollarmilliardär ist, der hat dieses Vermögen mit Sicherheit nicht durch ehrliche Arbeit, nicht durch Aufrichtigkeit, nicht durch empathisches und wohlwollendes Handeln erworben, auch wenn sich diese Superreichen häufig als Philantropen feiern lassen, indem sie angeblich menschenfreundliche Stiftungen gründen. Solche angeblich gemeinnützigen Stiftungen dienen vor allem der Steuervermeidung, dem durchschnittlichen Angestellten oder gar dem Arbeitslosen erwächst daraus kein Vorteil.
Wenn derart riesige Vermögen also nicht durch ehrliche und aufrichtige Handlungen erworben wurden, wurden sie entweder geerbt oder geraubt. So bedeutet das Wort privat, das aus dem lateinischen privare stammt, nichts anderes als Raub oder auch das Ausgliedern von Eigentum aus der Almende eines Dorfes, dem gemeinsamen Eigentum zum Beispiel an Ackerland.
https://rolftodesco.wordpress.com/2014/01/29/was-heisst-privat/
Durch die Kapitalakkumulation, also das Sammeln von Geld in sogenannten Kapitalsammelbecken, wird dieses Geld der Allgemeinheit entzogen und so eine künstliche Verknappung des Geldes geschaffen, obwohl doch eigentlich genug Geld im Umlauf ist oder sein sollte. Der erfolgreiche Unternehmer raubt seinen Angstellten die Früchte ihrer Arbeit und speist sie mit einem kleinen Bruchteil des damit produzierten Profits ab, ähnlich wie der Imker den Bienen ihren Honig raubt und ihn durch minderwertiges Zuckerwasser ersetzt. Das ist übrigens ein Hauptgrund des weltweiten Bienensterbens, weil die Bienen mit dem Zuckerwasser zwar Kohlenhydrate, aber keine Vitamine und Spurenelemente aufnehmen und dadurch krank werden.
Dieser Raub durch die Kapitalisten ist in unserer Gesellschaft weitgehend tabu, es wird kaum darüber diskutiert und in den Mainstream Medien sucht man diese Auseinandersetzung vergeblich. Das heisst, dass der eingeengte öffentliche Debattenraum keine Diskussion darüber erlaubt, mit welcher Legitimation der Eigentümer von Produktionsmaschinen den grössten Teil des Profits für sich beansprucht. Wer es wagt, das auch nur anzusprechen, wird sofort niedergemacht, und oft nicht einmal von den Massenmedien, sondern von den eigenen Kreisen. Ein solches Thema anzuschneiden gilt offenbar als verpönt und unmoralisch und ist damit tabu. Weshalb ist das so?
Von Wohlwollen oder Gutmütigkeit der besitzenden Klasse, der Unternehmer und vor allem der Superreichen kann keine Rede sein. Sie erzeugen durch ihr Verhalten erst die Armut, die sie dann hinterher als angebliche Philantropen zu bekämpfen oder auch nur zu lindern vorgeben. Ohne diese Regelungen, dass jemand, der viel hat, egal wie er dazu gekommen ist, den alleinigen Nutzen aus seinem Eigentum ziehen darf, hätten wir keine breit gestreute Verarmung, hätten wir nicht diese Armutsschere, die sich ständig ausweitet.
Die Schlussfolgerung der Reichen, dass es Arme allein schon deswegen geben müsse, damit die Reichen an den Armen ihre Nächtsenliebe demonstrieren können, könnte unter dem zuvor Gesagten betrachtet absurder nicht sein. Es ist der selbe Trick, den Politik heute und Herrscher früher schon angewendet haben: Sie erzeugen allerlei Ängste im Volk, um dann als Bekämpfer der angeblichen Bedrohungen anzutreten. Das Schweigen des Volkes, dass die Strategie nicht durchschnaut, nicht einmal erahnt, betrachten sie dann als Bestätigung und Zustimmung ihrer Machenschaften.
Die Verehrung der Reichen und Mächtigen, von der Mausfeld schreibt und die man heute noch immer überall beobachten kann, ähnelt der Gottes- und Heiligenverehrung.
In der Vergangenheit waren überall magische und religiöse Mächte und die im Glauben an sie verankerten Pflichtvorstellungen die wichtigsten Formkräfte der Lebensführung. Und überall vollzog sich derselbe Prozeß: die allmähliche Sublimierung eines primitiven Geister- und Dämonenglaubens zur Erlösungsreligiosität, d.h. zu einer Religiosität, welche die Welt, so wie sie nun einmal ist, verneint und nach einer im Diesseits oder Jenseits erreichbaren Befreiung von Leiden und Sünde strebt. Sobald der Mensch über den Tag hinausdenkt, taucht in ihm der Anspruch auf, daß das Weltgefüge ein sinnvoll geordneter Kosmos sei oder werden könne. Er fragt nach dem Verhältnis von Glück und Verdienst, sucht eine die Vernunft befriedigende Rechtfertigung von Leiden, Sünde, Tod, schafft eine "Theodizee". Mit andern Worten: religiöse Gefühle und Erlebnisse werden denkend bearbeitet, der Rationalisierungsprozeß löst die magischen Vorstellungen auf, "entzaubert" und entgöttert zunehmend die Welt. Religion wandelt sich aus Magie in Lehre. Und nun zeigen sich nach Zerfall des primitiven Weltbildes zwei Tendenzen: Einmal zur rationalen Beherrschung der Welt und andrerseits zum mystischen Erlebnis. Aber nicht nur die Religionen empfangen ihren Stempel durch das sich zunehmend entfaltende Denken -- der Rationalisierungsprozeß bewegt sich in mehreren Geleisen, und seine Eigengesetzlichkeit ergreift alle Kulturgebilde: Wirtschaft, Staat, Recht, die Wissenschaft und die Kunst.
aus Marianne Weber: Max Weber, ein Lebensbild, S. 348
https://tinyurl.com/y233ab9j
Man kann deshalb ohne Probleme behaupten, dass sich die Reichen und Mächtigen früher wie heute auf eine gewisse Verehrung im Volk verlassen können. Ihr materieller Reichtum ist so immens, dass sie aus Sicht relativ naiver und des systematischen und rationalen Denkens ungewohnter Volksangehöriger den Göttern viel näher zu stehen scheinen als dem einfachen Volk. Die seit Jahrtausenden angewendete Gehorsamserziehung trägt viel dazu bei, diese Situation stabil zu halten, denn die Gehorsamserziehung beginnt schon in einem Alter, in dem der Mensch noch nicht wirklich denken kann, so dass diese Strukturen ihm so tief eingepflanzt werden, dass er sie als Erwachsener eigentlich nicht mehr aufspüren kann.
Früher in der Antike wurden tatsächlich viele Mächtige als Götter empfunden oder sie präsentierten sich selbst als Götter oder Halbgötter. Götter sind aber eine Erfindung der Menschen, die aus einstigen Naturreligionen hervorgingen. Das Machtgefälle zwischen dem einfachen Menschen zu den Reichen und Mächtigen ähnelt damit der Beziehung des Religiösen zu seinem Gott oder seinen Göttern. Aber auch die oft strenge Hierarchie, die in den Familien herrscht, erzeugt in Säuglingen und Kleinkindern ähnliche, noch rudimentäre Vorstellungen.
Und daher gewinnt auf dem Boden der jüdischen ethischen Erlösungsreligiosität ein Element große Bedeutung, welches, von Nietzsche zuerst beachtet, aller magischen und animistischen Kastenreligiosität völlig fehlt: das Ressentiment. Es ist in Nietzsches Sinn Begleiterscheinung der religiösen Ethik der negativ Privilegierten, die sich, in direkter Umkehrung des alten Glaubens, dessen getrösten, daß die ungleiche Verteilung der irdischen Lose auf Sünde und Unrecht der positiv Privilegierten beruhe, also früher oder später gegen jene die Rache Gottes herbeiführen müsse. In Gestalt dieser Theodizee der negativ Privilegierten dient dann der Moralismus als Mittel der Legitimierung bewußten oder unbewußten Rachedurstes. Das knüpft zunächst an die »Vergeltungsreligiosität« an. Besteht einmal die religiöse Vergeltungsvorstellung, so kann gerade das "Leiden" als solches, da es ja gewaltige Vergeltungshoffnungen mit sich führt, die Färbung von etwas rein an sich religiös Wertvollem annehmen. Bestimmte asketische Kunstlehren einerseits, spezifische neurotische Prädispositionen andererseits können dieser Vorstellung in die Hände arbeiten. Allein den spezifischen Ressentimentcharakter erlangt die Leidensreligiosität nur unter sehr bestimmten Voraussetzungen: z.B. nicht bei den Hindus und Buddhisten. Denn dort ist das eigene Leiden auch individuell verdient. Anders beim Juden. Die Psalmenreligiosität ist erfüllt von Rachebedürfnis, und in den priesterlichen Ueberarbeitungen der alten israelitischen Ueberlieferungen findet sich der gleiche Einschlag: Die Mehrzahl aller Psalmen enthält – einerlei, ob die betreffenden Bestandteile vielleicht in eine ältere, davon freie Fassung erst nachträglich hineingekommen sind – die moralistische Befriedigung und Legitimierung offenen oder mühsam verhaltenen Rachebedürfnisses eines Pariavolkes ganz handgreiflich. Entweder in der Form: daß dem Gott die eigene Befolgung seiner Gebote und das eigene Unglück und demgegenüber das gottlose Treiben der stolzen und glücklichen Heiden, die infolgedessen seiner Verheißungen und Macht spotten, vorgehalten werden. Oder in der anderen Form: daß die eigene Sünde demutsvoll bekannt, Gott aber gebeten wird, er möge nun endlich von seinem Zorn abstehen und seine Gnade dem Volke, das schließlich doch allein das seinige sei, wieder zuwenden. In beiden Fällen verbunden mit der Hoffnung: daß des endlich versöhnten Gottes Rache nun doppelt die gottlosen Feinde dereinst ebenso zum Schemel der Füße Israels machen werde, wie dies die priesterliche Geschichtskonstruktion den kananäischen Feinden des Volkes angedeihen läßt, solange dieses nicht Gottes Zorn durch Ungehorsam erweckt und dadurch seine eigene Erniedrigung unter die Heiden verschuldet. Wenn manche dieser Psalmen vielleicht, wie moderne Kommentatoren wollen, dem individuellen Zorn pharisäisch Frommer über die Verfolgungen unter Alexandros Jannaios entstammen, so ist ihre Auslese und Aufbewahrung das Charakteristische, und andere reagieren ganz offensichtlich auf die Pariastellung der Juden als solcher. In aller Religiosität der Welt gibt es keinen Universalgott von dem unerhörten Rachedurst Jahves, und den historischen Wert von Tatsachenangaben der priesterlichen Geschichtsüberarbeitung kann man fast genau daran erkennen: daß der betreffende Vorgang (wie etwa die Schlacht von Megiddo) nicht in diese Theodizee der Vergeltung und Rache paßt.
aus Grundriss der Sozialökonomik: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 283
https://tinyurl.com/y2fpfb5g
auch in: Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft: Grundriß der verstehenden Soziologie (keine Seitenangabe)
https://tinyurl.com/y5rnt5xw
und in anderen Schriften zitiert.
Das bedeutet eigentlich nichts anderes als dass auch der heutige Mensch von quasi-religiösen, von über die Jahrhunderte tradierten Vorstellungen eingenommen ist, die ihm grösstenteils nicht bewusst sind. Sie werden im Kontext der noch immer religiös geprägten Sprache und der über die Jahrhunderte unberührt gebliebenen Strukturen der Gesellschaft von einer Generation an die nächste übertragen.
So kommt es unweigerlich dazu, was Rainer Mausfeld im Artikel zitiert: Das Vorankommen in der Gesellschaft hängt nicht grösstenteils von den eigenen Fähigkeiten und dem eingesetzten Fleiss ab, sondern von den guten Beziehungen, die man zu Mächtigen hat, und seien es nur die Vorgesetzten oder die kleinen Firmeneigner, für die man arbeitet. Das Privileg, im Schlaf immer reicher und reicher zu werden, ohne jedes Risiko machen zu können, was man will, beruht auf dem Gehorsam und den unbewussten Vorstellungen von den Reichen und Mächtigen, die aber keineswegs irgendwie bessere Menschen sind, sondern im Gegenteil oft sogar die Schlimmsten, die man sich vorstellen kann: Soziopathen dominieren die Geschellschaften.