Re: Nietzsche

Ja, mein Nietzscheverständnis ist auch verglichen mit Nietzscheexperten niedrig (ich lese zu viel anderes, in der Ethik ist er ja auch derzeit kaum diskutiert), aber ich lese das* schon so, dass im besten Fall eine Humesche Mitfühlgnade dabei rauskommt, die ich nicht in ausreichendem Ausmaß belegt sehe, wenn ich im Hoheland der Spendengalas (USA) jeden Superdome eine jährliche "Extraktionen links, Füllungen rechts"-Zahnbehandlungsspendenaktion veranstelten sehe und jenes mit europäischen Krankenversicherungssystemen vergleiche. Und das spricht für mich schon nicht nur gegen Sozialisten sondern auch gegen Sozialismus, inklusive der demokratischen Variante, an sich, weil der -ismus ja eine Gesellschaft für alle festzulegen versucht, die gemeinschaftlich (deswegen eigentlich antileninistisch demokratisch) über Hilfen entscheidet, weil die freiwillige, direkte Spende von Ebenezer Scrooge oder Bill Gates (der vergleichsweise sehr sehr viel spendet, Scrooge nach dem Ende des Carrols aber auch) letztlich immer doch zu wenig sei. Um nicht in Despotismus zu enden, brauchts, glaube ich, notwendig die Demokratie, so wie Allende das auch mehrmals in öffentlichen Reden gesagt haben soll. Ist manchmal verzwickt, weil man auch damit leben lernen muss, dass der Demokratische Prozess auch Antisozialismus hervorbringen kann, aber als notwendige Voraussetzung erlaubt der Umstand keine andere Herbeibringung des Sozialismus. Historisch ist das Motiv nicht geklärt, aber ich glaube, Allende hat den Freitod gewählt, als er erkennen musste, dass selbst sein (unwahrscheinlicher) Sieg im Bürgerkrieg die Demokratie vernichtet hätte. Ich sehe das aber schon so, sozialistisch ist die gemeinschaftliche Entscheidung, auf der Gegenseite die individuelle Entscheidung des Reichen selbst, wieviel der Reiche den Armen abgeben soll. Und da passt für mich Nietzsche doch auf die Gegenseite.

* http://www.zeno.org/Philosophie/M/Nietzsche,+Friedrich/Jenseits+von+Gut+und+B%C3%B6se/Neuntes+Hauptst%C3%BCck.+Was+ist+vornehm/257-260