Wie kann man zu einer realistischen Beurteilung der Situation kommen, wenn man sich (nahezu) ausschließlich auf Angaben der NATO bezieht? Die NATO ist Partei und verfolgt mit der Unterstützung der Ukraine (vor und während der militärischen Konfrontation) ihre Agenda. Die Aussagen der NATO zur politischen und militärischen Situation in der Ukraine dienen natürlich der Verfolgung genau dieser Ziele. Wer also seine „Analyse“ auf deren Angaben stützt, kauft damit indirekt auch ihre strategischen Prämissen mit ein.
Dabei gibt es sogar im „Westen“ Hinweise, die an den offiziellen Verlautbarungen zweifeln lassen. Milley und UvdL reden von mehr als 100.000 gefallenen Soldaten auf ukrainischer Seite. Nur zur Erinnerung: Vor Beginn des Krieges standen etwa 220.000 Soldaten der UAF im Donbass. Wenn wir davon ausgehen, dass die Zahl der Verwundeten mindestens doppelt so hoch ist wie die Zahl der Gefallenen, ist wohl von der ursprünglichen Mannstärke der ukrainischen Armee nicht mehr viel übrig. Die Meldungen über die Folgen der russischen Luftangriffe weisen auf eine weitgehende Luftüberlegenheit Russlands hin. Die Forderungen der Ukraine nach Kampfpanzern, weiteren gepanzerten Fahrzeugen, nach Artilleriesystemen und Kampfflugzeugen legt nahe, dass es infolge des Krieges hier zu einem eklatanten Defizit auf ukrainischer Seite gekommen ist. Kurz vor Weihnachten sprach selbst der ukrainische Armeechef Saluschny davon, dass ohne diese Lieferungen nur ein direktes Eingreifen der NATO eine Niederlage verhindern könne.
Dabei sollte man nicht vergessen, dass schon zu Beginn des (offenen) Krieges (real währt dieser Krieg schon seit dem Start der „Anti Terror Operation" durch den „Übergangspräsidenten“ Turtschinow im Frühjahr 2014) der „Westen“ seine Ziele klar formuliert hat: Lloyd Austin sprach davon, Russland zu schwächen. Die „vom Völkerrecht kommende“ Frau Baerbock wollte „Russland ruinieren“. Dies ließe sich leicht durch zahlreiche ähnliche Aussagen von NATO-Politikern komplettieren. Vielleicht täusche ich mich, aber Äußerungen bezüglich einer Strategie zur Rettung möglichst vieler ukrainischer Zivilisten wie Soldaten ist mir nicht in Erinnerung.
Bei all dem sollte man niemals den Hintergrund vergessen: Die Osterweiterung der NATO und die Ablehnung von Sicherheitsgarantien für Russland (zuletzt im Dezember 2021 und Januar 2022). Die NATO hat den Konflikt provoziert. Und die USA nutzen ihn (erfolgreich) zur Disziplinierung ihrer Alliierten (oder vielleicht besser doch: Vasallenstaaten). Zumindest geht die Rechnung für den militärisch-industriellen Komplex der USA ebenso auf wie für die US-Energiekonzerne. Deren Interesse an einer Eindämmung des Konfliktes dürfte wohl eher gering sein.
Russland erlebt diesen Krieg als Konsequenz einer seit mehr als zehn Jahren wahrgenommenen existentiellen Bedrohung seiner Staatlichkeit. Die USA sehen Ihren Anspruch als dominante Macht gefährdet.
Realistisch erscheint vor diesem Hintergrund zwar ein Sieg Russlands über die ukrainische Armee, aber auch ein viele Jahre währender Blockkonflikt (einschließlich wirtschaftlicher Sanktionen, die insbesondere die traditionellen europäischen Industrienationen schwächen), mit der Gefahr stets neu aufflammender Kriege bis hin zu einer nuklearen Auseinandersetzung.