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mehr als 1000 Beiträge seit 07.09.2000

Euphemismus-Tretmühle

demon driver schrieb am 6. April 2008 11:36

> LuisDeLirio schrieb am 5. April 2008 17:03

> > Neger ist einfach nur nicht mehr gebräuchlich, es war und ist aber
> > hierzulande kein Schimpfwort, auch wenn das einige politisch-korrekte
> > Fanatiker 

> Genau, so wie die "politisch-korrekten Fanatiker" von quasi allen
> deutschen Wörterbuch- und Enzyklopädie-Redaktionen, wenn die zum
> Beispiel schreiben:

Dir ist die Euphemismus-Tretmühle offenbar nicht bekannt.

> >| Neger
> >| 
> >| [zu lateinisch niger „schwarz“]
> >| 
> >| häufig abschätzig gebrauchte und als diskriminierend empfundene 
> >| Bezeichnung für -> Schwarze. Vor allem das in Nordamerika 
> >| aufgekommene Schimpfwort „Nigger“ für schwarze Sklaven trug zur 
> >| abwertenden Bedeutung des Begriffs Neger bei. Die dunkelhäutige 
> >| Bevölkerung Afrikas wird heute daher meist als Afrikaner oder 
> >| Schwarze bezeichnet. Für die Nachkommen der nach Amerika durch 
> >| Sklavenhandel verschleppten Afrikaner werden meist die Begriffe 
> >| Schwarze oder Afroamerikaner verwendet. 
> (wissen.de)

Ich muss leider den Auszug korrigieren:

In der Kette 
"Neger" -> "Schwarze" -> "Farbiger" -> "Afro-Amerikaner" 
befindet sich das Wort "Schwarze" ebenso schon längst, konkret seit
>>10 Jahren, auf der Stufe von "abschätzig gebraucht",
"diskrimminierend", "Schimpfwort".

Würde ich also in deiner Logik schlussfolgern, müsste ich jetzt
konstatieren, dass "wissen.de" ein veraltetes rechtsradikales Lexikon
ist, weil es einen alten rassistischen Begriff mit einem neueren aber
wiederum schon veralteten rassistischen Begriff erklärt.

Das putzige an der Euphemismus-Tretmühle ist, dass sich aus ihr
heraus sprachliche Unbestimmtheiten ergeben. Einerseits trifft
"Afro-Amerikaner" auf die einheimischen Bewohner des Afrikanischen
Kontinents nicht zu, da diese nicht automatisch Amerikaner sind,
andererseits existiert momentan kein anderes griffiges Attribut was
sich alleinig auf die Hautfarbe bezieht welches politisch korrekt
wäre ausser eben "Afro-Amerikaner". Die vorhergehenden drei Attribute
sind jedenfalls gemäss der aktuellen Sprachregelung im
Gegenwartsgebrauch als rassistisch motiviert zu werten.

> Ist es nicht komisch, dass sich Leute, die solchen Wert darauf legen,
> sich bei jeder Gelegenheit gegen "political correctness" und gegen
> vermeintliche "politisch-korrekte Fanatiker" in Stellung zu bringen,
> sich dabei ihrerseits immer wieder als propagandistisch-demagogische,
> mit blatanter Unredlichkeit und Unwahrheit operierende, rassistische
> und rassismusverharmlosende Fanatiker entlarven?

Nö. Es liegt schlicht und ergreifend daran, dass du keine Ahnung von
besagter Euphemismus-Tretmühle hast.

Wenn man also historische Dokumente richtig einordnen will, muss man
sich zwangsläufig Gedanken über den historischen UND soziokulturellen
Sprachgebrauch machen. Dies weil viele Menschen aus völlig
unpolitischen Gründen heraus irgendwann bei ihrem eingefahrenen
Sprachgebrauch bleiben (z.B. aus Altersgründen heraus) oder weil sie
sich bewusst jeglichem Neusprech verweigern.

Wenn also eine 90 Jährige Oma von "Negern" und "Krüppeln" spricht,
meint sie nichts anderes als ein junger Mensch mit sämtlichen Updates
zu seinem Deutsch-Modul mit "Afro-Amerikanern" und "Menschen mit
Behinderungen" meint.

D.h. bevor du urteilst solltest du dir darüber Gedanken machen. Nicht
jeder der kein Hippster ist und sein Sprach-Package updated ist
automatisch ein Rechtsradikaler. Spätestens wenn du im Rentner-Alter
bist, wirst du ebenfalls laufend in derartige Sprachfallen tappen...

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