Zahlen helfen schrieb am 26.08.2021 11:48:
Der Hr Kolenda macht in dem Artikel unzweifelhaft einen guten Job, um es etwas flapsig zu formulieren. Aber er drückt sich dann doch darum, einige Schlussfolgerungen deutlich auszusprechen, die insbesondere für seine medizinische Zunft eher unangenehm sind, weil diese bisher immer das Gegenteil behauptet hat. Ich übernehme das mal für ihn:
(10) Inzwischen wird nicht mehr ernsthaft bestritten, dass auch Geimpfte infektiös sind und infiziert werden. Daher ist der Satz
Zudem trägt sie weiter gemeinsam mit einer notwendigen weiteren Steigerung der Impfquote der 18- bis 59-Jährigen zur Verminderung der Übertragung von SARS-CoV-2 in der Gesamtbevölkerung bei.
per se unsinnig. Die weitere Steigerung der Impfquote wird die Übertragung nicht vermindern (im Sinne von: weniger werden angesteckt). Möglicherweise erfolgt die Übertragung etwas langsamer, aber auch diese Spekulation ist in keiner Weise belegt. Das CDC spekuliert bekanntlich darüber, dass Geimpfte womöglich sogar infektiöser sind als Ungeimpfte. Auch die bisherigen Erfahrungen aus dem UK, Island und Israel stützen diese Spekulation mit der verlangsamten Übertragung nicht. Man kann sogar das Argument bringen, dass die Steigerung der Impfquote die Übertragung sogar beschleunigen wird, weil der politisch gewollte Wegfall der Testpflicht und Beschränkungen für Geimpfte dazu führen wird, dass sich Geimpfte vermehrt untereinander anstecken werden. Auch über die Auswirkungen auf das individuelle Verhalten aufgrund des irrigen Gefühls, vor Ansteckung geschützt zu sein, lässt sich trefflich spekulieren. Wir werden daher im Winter keine "Pandemie der Ungeimpften" haben, wie der Hr Söder so griffig vor ein paar Tagen gehetzt hat, wir werden eine "Pandemie der Geimpften" haben.
Der aktuelle Wissensstand ist, dass geimpfte sich weniger leicht infizieren. Daher ist das Zitat aus dem Artikel nicht "per se unsinng" sondern aktueller Wissenstand:
Wie bei anderen Viren auch kann es zu sogenannten Impfdurchbrüchen kommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand trotz vollständiger Impfung mit dem Coronavirus infiziere und Symptome entwickle, sei „niedrig, aber nicht null“, betont das Robert Koch-Institut (RKI).
(11) Ergänzend zu 10 ist auch das Argument nicht stichhaltig, dass die Impfquote deshalb gesteigert werden muss, um das Gesundheitssystem vor Überbelastung zu schützen. Das Gesundheitssystem kam mit einer Impfquote von nahezu 0 % nie auch nur an den Rand der Überbelastung, weshalb eine Steigerung der Impfquote von mehr als 50 % auf noch ein bisschen mehr als 50 % völlig irrelevant ist. Die Impfung von Kindern und Jugendlichen wird exakt nichts zu einer geringeren Belastung des Gesundheitssystems beitragen, genau so wenig wie die fehlende Impfung in der Vergangenheit zu einer höheren Belastung beigetragen hat.
Damals hatten wir aber noch keine Delta-Variante.
Eine höhere Impfquote soll/kann sozuagen die höhere Infektiösität der Delta-Variante ausgleichen.
(12) Dieser Absatz
Bei ihrer generellen Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren hat die Stiko auch deren Teilnahme am gesellschaftlichen Leben mit im Blick. Neben der Verhinderung von Erkrankungen und Klinikeinweisungen gehe es auch darum, Einschränkungen der sozialen und kulturellen Teilhabe von Kindern und Jugendlichen abzumildern, heißt es in der wissenschaftlichen Begründung.
bringt das ganze Elend der Stiko-Empfehlung auf den (traurigen) Punkt. "Einschränkungen der sozialen und kulturellen Teilhabe" sind keine medizinischen Gründe, Diagnosen oder Prognosen, sondern von der Gesellschaft in Form der Regierungen gemachte Auflagen und Vorgaben. Die Stiko empfiehlt also, um es deutlich auszusprechen, eine Impfung gegen staatliche Auflagen, welche die (psychische) Gesundheit von Kindern beeinträchtigen könnten. Man fühlt sich unwillkürlich an den bekannten Familienrichter in Weimar erinnert, der exakt die gleiche Argumentation brachte. Der Zyniker würde jetzt womöglich fordern, dass möglichst schnell eine Impfung gegen Radarfallen und Überholverbote auf den Markt kommen und von der Stiko empfohlen werden muss.
Der Richter aus Weimar hat außerhalb seine Kompetenz ein Urteil gefällt im Sinne von "Fakten geschaffen". Die Stiko gibt nur eine Empfehlung ab.
Und da die Auflagen der Regierung sich ja (hoffentlich) an medizinischen Gründen, Diagnosen oder Prognosen orientiert. Von da her ist es ja nur sinnvoll wenn die Stiko diese Auflagen mit in die Beurteilung mit einbezieht.
(13) Wir hatten im vergangenen Winter eine Übersterblichkeit von um die 130.000 (bezogen auf die Sterblichkeit im Sommer). Dies ist geringfügig höher als die Winter-Übersterblichkeit im berühmten Grippe-Winter 2017/18 und im nicht so berühmten Winter 2016/17 (beide Male um 120.000). Diese Übersterblichkeit ist deutlich geringer als in den Wintern mit der Asiatischen Grippe (Mitte der 1950er) sowie der Hongkong-Gruppe Ende der 1960er (Werte um 150.000). Üblicherweise liegt die Übersterblichkeit um die 75 - 100.000. Diese Übersterblichkeit wird nach dem Konsens der Mediziner primär von einem ganzen Zoo von Viren verursacht, die zunächst HNO-Infektionen auslösen. Vor Corona hat die Medizin auf diese Situation damit reagiert, dass eine Grippe-Impfung für bestimmte Zielgruppen empfohlen wurde. Ist es überhaupt gerechtfertigt, von dieser Empfehlung abzugehen?
Die Influenza-Impfempfehlung hat nichts mit der Corona-Impfempfehlung zu tun. Bei Influenza wird z.B. schon immer die Impfung von (Klein-)Kindern empfohlen.