Man könnte das zuspitzen auf die These, wer ständig vor der Spaltung der Gesellschaft warnt, will vergessen machen, dass wir in einer Klassengesellschaft leben, weil er will, dass sie unverändert bleibt.
Ich wage mal ganz "frech" zu behaupten, dass die Klassengesellschaft keine Spaltung der Gesellschaft ist. Sondern ein natürliche Fügung und Abgrenzung mit mehr oder weniger fließenden Übergängen.
Leider wurde in den vergangenen Jahrzehnten im Zuge der sozialen Gleichmacherei die Mittelschicht (alias "die gutbürgerliche Mitte") systematisch abgeschafft. Es gibt nur noch die beiden Extremen (Oberschicht und Unterschicht bzw. Reich und Arm); das kommt einer sozialen Spaltung sehr viel näher als die bisherige Einteilung in Unterschicht, Mittelschicht und Oberschicht.
Denn da hatte man zumindest eine faire Chance eine Stufe (z.B. von der Unterschicht zur Mittelschicht) zu avancieren. Den direkten Sprung von der Unterschicht zur Oberschicht schafft hingegen kaum einer (es sei denn, man ist in kriminelle Aktivitäten verwickelt, gewinnt im Lotto oder wird sonst durch einen glücklichen Umstand plötzlich reich).
Insofern war die Mittelschicht bisher immer eine gute Zwischenstufe bzw. ein sozialer "Puffer" zwischen Unterschicht und Oberschicht. Die Unterschicht hatte ein erreichbares Ziel vor Augen und umgekehrt fiel man auch nicht so tief, wenn man - aus welchen Gründen auch immer - seinen sozialen Status in der Oberschicht nicht mehr halten konnte (z.B. familiärer Ruin, Dekadenzerscheinungen im Familienkreis, in Ungnade gefallen, etc.). Und der Sozialneid war auch nicht so stark ausgeprägt wie heute, weil man sich schon gut damit arrangieren konnte, wenn man es von der Unterschicht in die Mittelschicht geschafft hat.
Jedenfalls ist die klassische Dreiteilung der Gesellschaft IMO nicht als soziale Spaltung der Gesellschaft anzusehen. Wenn schon Kritik an der Klassengesellschaft bzw. schon der Vorwurf der sozialen Spaltung am Klassensystem, dann am gegenwärtigen Zwei-Klassen-Modell. Und weil die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht, wird das in absehbarer Zeit auch nicht besser werden. Da sollte man Kritik ansetzen - und nicht pauschal am Prinzip einer Klassengesellschaft. Eine jede Gesellschaft braucht eine gewisse soziale Einteilung, damit jeder und jede seinen Platz findet (wie heißt es so schön: "Gleich und gleich gesellt sich gern"); das Einzige was gewährleistet werden muss, ist dass diese Gesellschaft feinstufig genug (also mindestens drei Gesellschaftsklassen) eingeteilt ist und alles fair genug abläuft, damit es reelle Chancen gibt, den sozialen Aufstieg zu schaffen. Und wenn das gewährleistet ist, gibt's IMO keinen Grund, von einer sozialen Spaltung der Gesellschaft zu reden. Amen.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (18.01.2022 07:26).