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  • jfmprof

844 Beiträge seit 24.09.2021

Zu erwartender Nutzen einer Impfpflicht

Ich habe mich hier bereits früher https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Gezielte-Polizeischuesse-bei-Corona-Krawallen-in-Rotterdam/Was-haette-die-Impfpflicht-gebracht/posting-40001896/show/ dazu geäußert und möchte hier an dieser Einschätzung festhalten und meine Argumente aktualisieren.

Das Grundproblem ist, daß man ein exponentielles Wachstum der Infektionszahlen und aller daran gekoppelten Zahlen hat, insbesondere der Zahl intensivpflichtiger Patienten. Solange man nicht den Exponenten λ (in der Formel K*exp(λt) für die Zahl der Krankenhauseinweisungen, Todesfälle oÄ) drückt, was durch Impfungen allein nicht geht, so gewinnt man mit jeder einzelnen Maßnahme immer nur einige wenige Wochen. Am Ende ist man dann doch gezwungen, λ durch unfreiwillige oder freiwillige (weil die Leute es mit der Angst zu tun bekommen) Kontaktbeschränkungen zu drücken.

Mein damaliger Schätzwert für λ war in etwa eine Verdoppelung alle zwei Wochen, was beim Vergleich der Zahlen für Meldewoche 46 vom 2. 12 mit denen für Meldewoche 44 vom Wochenbericht vom 18. 12. nach wie vor haltbar scheint. Lediglich der Vergleich Meldewoche 47 gegen 45 aus denselben Quellen könnte auf eine Verringerung von λ hindeuten. Es geht jeweils um Tabelle 1 auf Seite 7 bzw. 8. Das RKI bringt dabei immer die Zahlen für zwei Wochen, wobei für die letzte dieser beiden Wochen noch mit Aktualisierungen zu rechnen ist. Wenn sich die Verringerung von λ in der 47. Meldewoche bestätigt, so kann dies vermutlich durch verschärfte Kontaktbeschränkungen erklärt werden.

Was den Einfluß von Impfungen auf λ angeht, so würde ich weiterhin davon ausgehen, daß noch nicht einmal klar ist, ob dieser überhaupt in die gewünschte Richtung geht. Effekte wie etwa der, daß Geimpfte ihre Infektion nicht bemerken und dadurch eher dazu tendieren, das Virus zu verbreiten, würden ja gerade in die unerwünschte Richtung gehen. In den vergangen zwei Wochen habe ich auch neue Quellen gefunden, die in der Tat darauf hindeuten, daß der Einfluß von Impfungen auf λ zweifelhaft ist, etwa
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=SARS-CoV-2-Variante_Delta&oldid=217425468

Mit den bisherigen Impfstoffen übertragen geimpfte Personen das Virus in ähnlichem Maße wie ungeimpfte, so die WHO im August 2021.

Ähnlich auch Prof. Dr. Ulrich Kutschera bei Reitschuster https://reitschuster.de/post/harvard-studie-beweist-weltweite-impfungen-hemmen-das-virus-nicht/ mit Verweis auf eine Harvard-Studie https://link.springer.com/article/10.1007/s10654-021-00808-7 .

Was den Einfluß der Impfpflicht auf K (in der Näherung K*exp(λt) für die Zahl der Intensivpflichtigen) angeht, so haben sich die Zahlen aus Tabelle 3 des Berichtes vom 2. 12. erwartungsgemäß verschlechtert: Statt 1592=518+1074 sind es nun 1721=4+598+1119 Intensivpatienten, davon 592=0+94+498 geimpft (statt vorher 474=68+406). Einsparmöglichkeit, wenn man (vollkommen unrealistisch) unterstellt, daß Totalimpfung hier die 1129 (statt 1118 vor 2 Wochen) Ungeimpften vollständig vor der Intensivstation bewahrt, wäre ein Faktor von 592/1721~0.3 für die Rate des verbleibenden Restes an Intensivpatienten, verglichen mit 474/1592~0.3, was einem Zeitgewinn von etwa drei Wochen entspricht.

Was man durch mehr Auffrischungsimpfungen bewirkt hätte, ist natürlich weniger klar. Ich würde auf eine Woche tippen, aus einem Bauchgefühl heraus.

Wenn wir eine zu beschließende Impfpflicht diskutieren, so geht es natürlich um die Situation im kommenden Winter. Aber ich sehe keinen besonders überzeugenden Grund, warum sich die Situation verglichen mit dem jetzigen Winter grundlegend verbessern sollte. Vielleicht würde ein an die aktuelle Variante angepaßter Impfstoff einen besseren Einfluß auf λ haben. Aber es ist unklar, ob dies passiert bzw. ob der Einfluß überhaupt in die gewünschte Richtung geht. Außerdem ist unklar, ob der Entwicklungs- und Zulassungsprozeß für einen gegen δ und ο gerichteten Impfstoff überhaupt so schnell voranschreitet, daß bis zum nächsten Herbst die meisten Deutschen entsprechend geimpft sind. Hinzu kommt, daß wir dann wahrscheinlich eine post-ω-Variante haben, so daß alles beim Alten bleibt, was den Einfluß der Impfungen auf λ angeht.

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