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  • _Toska_

142 Beiträge seit 18.12.2012

Re: Was kann denn der Schild überhaupt...?

Was oft vergessen wird - und darauf haben die Russen immer wieder
hingewiesen:

Wie alle radargelenkten Raketen sind auch die "Standard Missiles" des
AEGIS-Systems keine reinen Luftabwehr-Raketen. Klar, das ist die
primäre Rolle, für die sie entwickelt wurden und das können sie
sicherlich am besten.

Sie können aber auch gegen alle anderen Ziele eingesetzt werden, die
sich mit Radar beleuchten lassen und/oder eine Infrarotsigatur haben.
Die SM-3 Block IIA haben ein Lenksystem, welches GPS,
Trägheit-Navigation, aktive Radarlenkung und passive Infrarot-Lenkung
beinhaltet. 

Schiffe mit Luftabwehr-Raketen testen diese auch immer wieder mal
gegen Seeziele wie andere Schiffe oder schwimmende Zielscheiben. Das
war schon bei der AIM-7 Sparrow so. Man denke da an den "Unfall", als
bei einer NATO-Übung ein Seasparrow-Schuss gegen einen türkischen
Minenräumer geübt wurde und die übermüdete US-Besatzung aus versehen
zwei "Warshots" absetzte (statt den Abschuss nur zu simulieren),
welche in die Brücke des türkischen Schiffs knallten. Mehrere
türkische Offiziere wurden dabei getötet oder verletzt.

Auch die "Standard Missile" SM-3 Block IIA des "Raketenschildes" kann
gegen Luft-, Land- und Seeziele eingesetzt werden. Reichweite bis zu
2500 km, Geschwindigkeit bis zu Mach 15,25 und kinetische
Aufschlagwucht entspricht dann ca. 130 Megajoules (31kg TNT). Gegen
ein Land- oder Seeziel ist das nicht viel, aber bei dem
Genauigkeitsgrad kann das durchaus schon reichen, um z.B. gegnerische
Radars oder gegnerische Luftabwehr-Stellungen auszuschalten.

Die Frage des Sprengkopfes (kinetischer Interceptor bei SM-3 Block
IIA) ist dann auch nur Augenwischerei. Den kann man wechseln wenn es
politisch gewollt und militärisch als notwendig erachtet wird. Die
SM-3 hat einen Durchmesser von 21 Inch (statt 13-komma-Ebbes wie die
Vorgänger-Modelle) und da hätte man durchaus die Volumnia, beim
Sprengkopf was "unkonventionelles" zu verbauen. Welche Möglichkeiten
das eröffnet, dürfte den Planern nicht entgangen sein. 

Egal ob rein kinetischer Sprengkopf oder nicht: Somit ist es keine
reine Defensiv-Waffe, sondern kann auf vorgeschobenem Posten durchaus
als Erstschlagwaffe durchgehen. Oder entspräche dem Äquivalent einer
Batterie Mittelstrecken-Raketen oder einer Cruise-Missile Batterie.
Damit sind wir an sich wieder bei der Kuba-Krise mit umgekehrten
Vorzeichen: Die USA schieben Mittelstrecken-Raketen bis in den
russischen Vorgarten. Zum "Schutz vor Raketen aus dem nahen Osten und
natürlich nur rein *defensiv*"? 

Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn "der Nachbar" das anders
sieht und wenig erbaut ist.

Es gab mal weitreichende Verträge zwischen den USA und Russland. Die
hätten einem Großteil der Neuentwicklungen der Russen einen Riegel
vorgeschoben. RS-24 Yars, TOPOL-M, aber auch Iskander, S-400 und
S-500 wäre nicht (oder nicht in der Form und mit allen Fähigkeiten)
möglich gewesen. Und auch die ganzen neuen Cruise-Missiles der Russen
nicht. Die Amis haben einseitig und von sich aus START-1 und den
ABM-Vertrag gekündigt. Dort wurde geregelt, dass Neuentwicklungen und
Tests von neuen ICBM's und (nuklear bestückbarer) Cruise-Missiles
extrem engen Limits unterlagen, bzw. verboten waren. Der ABM-Vertrag
regelte, welche Luftabwehr-Möglichkeiten USA und Russland gegen
ICBM's haben durften. Russland hatte laut Vertrag eine
festinstallierte Stellung ABM-Raketen bei Moskau. Und die USA ihre
AEGIS-Kreuzer zum Schutz der Trägerverbände (nette Prioritäten!). Als
die Amis dann in Alaska eine festinstallierte Stellung ABM-Raketen
aufbauten und in Polen eine aufbauen wollten, zeigten die Russen
ihnen nochmal den ABM-Vertrag und die Amis kündigten ihn einfach.
Dann gab es noch das Treaty gegen die Anti-Satelitten Waffen. Seit
die Amis von einem AEGIS-Kreuzer aus mit einer modifizierten SM-3
einen ausrangierten Sat abgeknallt haben ist klar, dass der Vertrag
das Papier nicht wert ist, auf dem es steht. Die NASA hat wegen der
Trümmerwolke sicherlich auch Gift und Galle gespuckt. Total
überflüssige Cowboy-Aktion des "Friedensnobelpreis-Präsidenten".

Seit diese Treaties weg sind, dürfen auch wieder Bomber mit
Cruise-Missiles als Außenlasten fliegen (nicht nur im internen
Waffenschacht). Was auch keiner vorgesehen hatte: Die neuen
Cruise-Missiles (der Russen) sind mittlerweile so klein geworden,
dass schon ein Jagdbomber sie in ordentlicher Stückzahl tragen kann.
Wäre vom Treaty her (wegen Mangel an internem Waffenschacht) vorher
verboten gewesen. Während die USA ein bisschen an ihren SM-2, SM-3
und SM-4 und SM-6 Raketen schraubten und diese näher an Russland
manövrierten, haben die Russen halt die Bleistifte gespitzt und neue
Waffensysteme aufgelegt und Zug um Zug in Dienst gestellt. Bzw. die
Raketen und Radars der eigenen Luftabwehr konsequent modernisiert.
Die Langstrecken-Version der S-400 Luftabwehr-Rakete hat angeblich
bereits (erfolgreich) Mach-15 und Mach-18 fliegende Übungsziele
runtergeholt. Die Info mit Vorsicht betrachten, denn unabhängige
Beobachter waren (natürlich) nicht geladen.

So ganz traue ich den ganzen Daten, die da über die Spezifikationen
kursieren auch nicht. Dass *jede* Seite dabei mogelt, gehört einfach
dazu. Fakt ist aber auch: Die Russen hätten nicht so massiv aufrüsten
können und wollen, wenn die USA bestehende Abrüstungsverträge nicht
ohne jeglichen erkennbaren Sinn und Zweck einfach so gekündigt
hätten. Clever war das nicht! 

Ich würd' daher empfehlen, die ganzen Infos zum
"Verteidigungs-System" Raketenschild mal etwas kritischer zu
betrachten. Denn unterm Strich ist das Propaganda und Augenwischerei.
Die Stationierung eines Waffensystems wie AEGIS ist eben nicht nur
rein defensiv, sondern eine gezielte Eskalation, die eine
Gegenreaktion provozieren soll.

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