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  • Ho Tsen Plots

mehr als 1000 Beiträge seit 25.09.2016

Der ehemalige "IM Michael" - Opportunist oder Widerständler?

Der ehemalige "IM Michael" schreibt über "Opportunismus oder Widerstand".
Da hätte ich mir allerdings kritisches Nachfragen von Reinhard Jellen gewünscht.

Der Theologe Dieter Kraft war Stasi-IM, "engagierte sich im Weißenseer Arbeitskreis und schrieb u. a. in den Weißenseer Blättern. Er war Mitglied der Christlichen Friedenskonferenz CFK." (Wikipedia)

Der Weißenseer Arbeitskreis war eine DDR-treue, christlich-kommunistische Gruppierung mit engen Kontakten zur Stasi und zu Oberpropagandisten wie Karl Eduard von Schnitzler.

Der DDR-Regionalausschuss des CFK war ebenfalls Stasi-kontrolliert und diente als Gegenpol zu der sich unter dem Dach der DDR-Kirche entwickelnden Friedensbewegung.
Das war zu Zeiten des NATO-Doppelbeschlusses und der infolgedessen erfolgten Aufstellung der sowjetischen SS 20 in der DDR.

Äußerst interessant und aus meiner Sicht entlarvend ist das, was Dieter Kraft 2018 in der Zeitschrift Offen-siv über den DDR-Historiker Gossweiler und über Stalin geschrieben hat:

Wir saßen nach 1989 fast alle zwei Monate in einer Runde zusammen, die sich um die Weißenseer Blätter gesammelt hatte, unter anderem auch Karl Eduard von Schnitzler und andere Prominenz, die man jetzt anfassen konnte und die man jetzt auch zu hören bekam. Es war faszinierend, wie ja auch Hanfried Müller faszinierend war.
...
Und diese Weißenseer Blätter drucken in Heft 4/1994 Kurt Gossweilers Rede auf dem internationalen Seminar kommunistischer und Arbeiterparteien in Brüssel am 1. Mai 1994: „Der Antistalinismus – das Haupthindernis für die Einheit aller antiimperialistischen Kräfte und der kommunistischen Bewegung“. Diese Rede ist einfach großartig, und sie ist so toll und so provozierend auch, daß sie Eingang in Wikipedia gefunden hat...
...
Aber dann habe ich mir – viele Jahre später, vor einem Urlaub in der Toskana – von einer hochverehrten Freundin, der einst jüngsten Staatsanwältin der DDR, die Stalin-Werke schenken lassen. Sie tat das gern, weil sie sie zweimal hatte. Und so bin ich mit 13 Stalin-Bänden nach Italien gefahren und habe die da von Deckel zu Deckel gelesen – bei entsprechendem italienischen Wein – und stellte fest: das ist alles so fabelhaftes Zeug, was da drin steht, daß man nur mit dem Kopf schütteln kann, wenn so undialektische Stalinkritik kommt.

https://sascha313.wordpress.com/2019/11/25/dieter-kraft-widersprueche-widerspruechliches-und-bemerkenswertes-ueber-stalin-eine-reverenz-an-dr-kurt-gossweiler/

Dieter Kraft ist also nicht nur ein bekennender Stalin-Verehrer, sondern ist auch als Stasi-IM gegen die DDR-Friedensbewegung aktiv gewesen.
Er selbst sieht das wahrscheinlich als Widerstand an - genauso wie der Anti-Stalinismus zu verteufeln ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Reinhard Jellen vollkommen ahnungslos in dieses Interview gegangen ist.
Warum gibt es nicht eine kritische Frage von ihm?

P.S.: Ich hoffe mal, dass der Verzicht auf kritisches Nachfragen und das Fehlen von wichtigen Zusatzinformationen kein Teil des Planes ist, Telepolis zu einem "Referenz-Medium" zu machen.

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