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  • Mathematiker

mehr als 1000 Beiträge seit 22.02.2014

Das indische Erfolgmodell und der Klassenkrampf

Aber selbst wenn dies so durchgeführt worden wäre, würde Indien ein Beispiel dafür bleiben, wie wenig eine 30-jährige neoliberale Wachstums-Politik gebracht hat, die mehr auf die Zahlen schaut als die sozialen Realitäten.

Ja,einmal der Blick auf nüchternen Zahlen:
Bevölkerung 1991: 846,387,888 EW
Bevölkerung 2011: 1,210,726,932 EW
Bevölkerung 2021: 1,450.000.000 EW (geschätzt)

Also einen Bevölkerungsanstieg von knapp 60%. Na, wenn das nicht Mal ein echter Erfolgsindikator der Wirtschaftspolitik ist! Also die Zoologen freuen sich, wenn die Tiere viele Junge kriegen, denn dann geht es ihnen gut.
Übertragen auf Deutschland würde dies bedeuten: 1,6 Mio fröhliche Hartz-IV Empänger mehr pro Jahr.

Zwar sind Indiens private Krankenhäuser auf dem neusten Stand, so dass auch viele Westler sich die Zähne mittlerweile in Indien machen lassen.

Aber das staatliche Gesundheitssystem, auf das der größte Teil der Bevölkerung angewiesen ist, ist zum Teil im "Mittelalter" stehen geblieben. So gibt es im Bundesstaat Bihar 0,11 Krankenhausbetten auf 1000 Einwohner. Im ländlichen Indien kommt ein Arzt auf 10.000 Einwohner.

Nur einmal zur Erinnerung Bevölkerung Deutschland 1950: 69 Mio. und Indien 361 Mio.
Man stelle sich einfach einmal vor, die Bevölkerung in Indien wäre nur moderat gewachsen, dann wäre man bei gleicher Ärzteschaft nicht auf dem Niveau von Ägypten, sondern von Süd-Korea. Aber die Bruchrechnung beherrscht man in Indien noch nicht so recht.
Oder einmal bei einem Komplettvergleich zu 1951:
Deutschland hätte heute 277 Mio Einwohner und jede Stadt wäre ungefähr 3,5-Mal so groß, ohne dass sich das BIP und die Staatseinnahmen wesentlich unterscheiden würden.
Klar, wäre da auch bei uns so einiges "mittelalterlich".

Laut einer Studie, die im letzten Dezember 2019 im Lancet Global Health veröffentlicht wurde, sterben in Indien jeden Tag mehr als 4.500 Menschen an folgenden Krankheiten: 938 an einer Infektion der Atemwege (nicht COVID-19); 1421 Menschen an Durchfall; 928 an Fieber unbekannter Herkunft; 1.026 an Tuberkulose; und 508 Menschen jeden Tag an Malaria.

Und trotzdem wächst die Bevölkerung munter weiter. Würdes es dieses Toten nicht geben, dann wären das nochmal 1,6 Mio mehr Mäuler, die zu stopfen wären. Etliche dieser Fälle, könnte man durch einfache hygienische Maßnahmen abstellen, die selbst für die Armen erschwinglih wären, aber die ausgelassene "Lebensfreude" ist wichtiger. Letztendlich entscheiden ja nur die Götter über wohl und wehe. Da investier man die Kröten lieber in ein paar Opfergaben.

Anderseits sollen die einfachen Menschen Verständnis haben, wenn nun in ihrer unmittelbaren Wohnnähe Quarantäne-Lager gebaut werden: So kam es allein im Bundesstaat West-Bengalen an mehreren Orten zu Demonstrationen gegen solche Lager, wobei ein Mensch getötet wurde.

Nur kommen in diese Lager ja nicht irgendwelche Mittelständler oder Reiche, sondern die eigenen Leute. Bei uns stehen die Leute nicht mit Fackeln vor den Krankenhäusern. Aber NIMBY gibt es auch bei Leuten, die nur auf Kosten der Anderen leben.

Paradebeispiel dafür ist ein junger Journalist, der mir auf Urlaub im Zug von Kolkata nach Delhi begegnete. Er erzählte freimütig, dass er sechs Tage pro Woche nur vor dem Bildschirm sitze, um täglich fünf bis sechs Artikel für seine News-Agentur zu produzieren. "Bei nur 500 Rupien pro Artikel, die ich bekomme, ist Geldverdienen anders nicht möglich", sagte er gelassen.

Dann verdient der gute Mann ja schonmal locker das 6-fache des Mindestlohns.
Das wäre schon ein Spitzenverdienst im normalen Jobvergleich. Da hat sich der gute Gilbert einen Bären aufbinden lassen. Zudem ist bei 6 Artikeln pro Tag auch die Qualität entsprechend lausig und kaum über einem Übersetzerniveau.

Genauso übernehmen die Medien in anderen Bereichen Modis Worte, ohne sie zu hinterfragen. So auch im letzten Jahr, als der Premier seine Toilettenreform "Latrinen für alle" proklamierte. Nicht nur der morgendliche Blick aus einem Zug auf Hunderte Menschen, die weiterhin im Freien - wo auch sonst? - ihre Notdurft verrichten, straft Modi Lügen, sondern auch die Daten seiner eigenen Regierung.

Der Modi kann einem auch leid tun. Der hatte wirklich davon geträumt aus dem Shithole einen moderenen Staat zu machen. Aber das Volk hat einfach keinen Bock darauf. Die Leute sind von kleinauf daran gewöhnt überall hinzupinkeln und zu koten.
Da darf auch jeder zuschauen.
Diese Bequemlichkeit stellt man nicht so einfach ab.
Da werden Toilettenhäuschen in den Dörfern lieber für ide Lagerung von Lebensmitteln genutzt. Zudem muss man so ein Scheißhaus ja auch sauberhalten. Das stinkt ja und ist anstrengend. Dann lieber frei koten.

Zudem hält auch kein Abwassersystem der Bevölkerungsexplosion stand. Die können garnicht soviel Rohre und Scheißhäuser bauen, wie eigentlich benötigt wären.

Die nächsten Monate werden zeigen, dass 800 Millionen Menschen, die in dem einen oder anderen Sinne arm sind, nicht ignoriert werden können.

Im Grunde wissen auch diese 800 Mio, dass es keinen Schatztresor geben wird, den man so einfach plündern kann. Selbst die "Reichen" liefern kaum Beute, wenn man das auf alle Münder verteilt.

Viel spannender ist da schon das Thema Ernten und Corona. Wenn Thailand nicht liefert, wird es viele Hungeraufstände geben, in der Dritten Welt.

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