uhgsess schrieb am 11.09.2023 21:40:
Feldor schrieb am 11.09.2023 20:45:
1) kaum einer trat/tritt dabei so hochmoralisch auf wie wir - wenn man selbst derart hohe moralische Maßstäbe hat, sollte man das eigene Handeln auch daran messen lassen.
Das sollte aber für alle Seiten gelten. Auch China und z.B. Russland argumentieren durchaus moralisch, nur eben nach ihrer Moralvorstellung. Ich glaube deswegen, das Problem ist nicht Moral an sich, sondern die jeweilige Auffassung von Moral.
Leider wird aber dem Westen durch andere Akteure oft auch dort Moralbruch vorgeworfen, wo diese Akteure selbst nicht nach dieser Moralvorstellung handeln. Und wenn sonstige Argumente vor z.B. der UN anscheinend ausgehen, heißt es dann gerade aus China oft "Innere Angelegenheiten", obwohl man selbst ebensolche inneren Angelegenheiten der USA oder EU beklagt.
Die Chinesen warnen aber z.B. die Afrikaner nicht ständig vor dem "unmoralischen Westen". Westliche Politiker reisen dagegen in letzter Zeit ständig nach Afrika, um die dortigen Staatsführer vor Handelsvereinbarungen mit dem "aggressiven China" zu warnen - als ob die Afrikaner nicht selbst in der Lage wären, Entscheidungen zu treffen und ihre Interessen zu erkennen. Da wird dann vor der chinesischen Schuldenfalle gewarnt, obwohl es doch grad die westlichen Institutionen Weltbank und IWF waren, der die Afrikaner jahrzehntelang in finanzieller Abhängigkeit gehalten haben. Die Chinesen investieren wenigstens in die afrikanische Infrastruktur - klar wollen sie die Afrikaner damit abhängig machen, aber Afrika profitiert eben auch. Umgekehrt hat der Westen Afrika eigentlich immer nur ausgebeutet. Daher kommt es dort einfach nicht gut an, wenn man da jetzt hochmoralisch auftritt und dabei eigentlich nur eine neokoloniale Attitüde an den Tag legt.
2) ...allerdings wird der Westen dann am Ende ganz schön einsam sein.
[moralaus]Hier könnte man argumentieren, dass das dem Westen mit seiner/unserer wirtschaftlichen und militärischen Stärke relativ egal sein kann.[/moralaus]
Die Frage ist, wie lange bleibt das noch so? Der Anteil des Westens an der weltweiten Wirtschaftsleistung ist heute bereits deutlich geschrumpft. 2006 hatten die G7 noch einen Anteil von 2/3 am weltweiten Bruttoinlandsprodukt, 2022 waren es dagegen nur noch 43% (siehe Grafik: https://crp-infotec.de/wp-content/uploads/g7-bip-anteil-global.gif). Dazwischen liegen nur 16 Jahre! Wenn sich diese Entwicklung so fortsetzt, kann es uns eben nicht egal sein.