Der Autor wollte ein Interview mit dem russischen Botschafter. Das kriegt nicht jeder.
Also muß man sich bücken. Jedes Interview ist autorisiert. Was dem Interviewten nicht paßt, das streicht er raus, bzw. untersagt die Veröffentlichung komplett. Jeder Journalist weiß das. Und er weiß auch, daß er bestimmte Fragen nicht stellen darf, weil sonst der Interviewpartner komplett dicht macht. Und bitte nicht vergessen: Der Journalist WILL das Interview. Und es ist aus Sicht des Journalisten sehr blöd, wenn man viel Zeit investiert hat, um ein Interview zu bekommen, es zu führen, es zu transkribieren (gut das geht heute AInfacher (sic!) als früher), nur um nachher festzustellen: Der Interviewte untersagt die Veröffentlichung. Das ist Arbeit für die Mülltonne, verschwendete Lebenszeit. Für nicht veröffentlichte Interviews kriegt man i.d.R. auch kein Geld.
Deswegen werden handzahme Fragen gestellt. Denn die KUNST des Interviews besteht nicht darin, den Gesprächspartner hart zu konfrontieren, ihn argumentativ in die Enge zu treiben, mit dem dialektischen Baseballschläger auf ihn einzudreschen und dann mit dem ad hominem knuckle duster grad noch einer in die intellektuellen Weichteile. NEIN.
Die Kunst des Interviews besteht darin, das Gegenüber ans Quatschen zu bekommen, der soll quatschen. Man kann ihm Honigfallen stellen, damit er muter drauflosplappert. Denn wenn die Leute mal am Labern sind, dann VERquatschen sie sich gerne, sie VERplappern sich. Und so entstehen dann interessante Aussagen, die das Gegenüber SELBST getätigt hat, nicht durch eine harte Frage dazu genötigt wurde.
Und der Jackpot ist geknackt, wenn der Interviewpartner seinen eigenen Schwachsinn auch noch autorisiert. Der Journalist ist fein raus: "Ich hab ned bös gefragt, der Pfosten hat die bösen Sachen alle von sich aus gesagt." Hände waschen Unschuld, auf zum nächsten Interview...
Beispiele für solche Perlen aus dem konkreten Interview, sind diese kreuzdepperten Aussagen des Ruski-Botschafters zur "Tragik" deutscher Panzer in Kursk, was der gute Mann sogar noch zu toppen vermochte, indem er von einer "Genetik" des russischen Volkes daherschwadronierte, die bestimmte Dinge nicht akzeptieren könne. Lauter tolle Sätze, bei denen man sich fragt: War jetzt zuviel Vodka im Tee oder zuwenig Tee im Vodka?
Und nach dem ganzen Stuß hat der Journalist nicht gefragt. Der Botschafter hat sich selber verschwurbelt, verstrudelt und damit selbstentlarvenden Schwachsinn verzählt. So muß es sein. Das ist das Ziel von Interviews. Daß sich der Gesprächspartner selbst blamiert und sein Geschwafel anschließend autorisiert. So muß laufen, dann läufts gut.
Audietur et altera pars wär nice:
Kein Spiegel-Interview (leider) sondern ein gespiegeltes Interview: Der deutsche Botschafter in Moskau heißt Alexander Graf Lambsdorff, vielleicht kann man den auch mal interviewen.
Und dann könnte man diese beiden Interviews, mit dem Ruski- und dem deutschen Botschafter in Form einer Synopse nebenander stellen. Denn so Synopsen sind gutes Futter für Synapsen. ;-) Und man könnte vergleichend festellen, wer von den beiden sich mehr blamiert hat. Ich fürchte aber der Russe ist schwer zu toppen.
Servus aus der Senfmine