Eingangs möchte ich uns dazu beglückwünschen, dass wir es geschafft
haben, nach einem Beginn, den ich als etwas aggressiv wahrgenommen
habe, zu deeskalieren und zu einer vernünftigen Diskussion zu kommen.
Das klappt ja in Foren nicht immer.
>ich tipp mir hier die Finger wund gegen Leute, die die
> essentielle Funktion des Systems als moralische Fehler seines
> Personals misverstehen (und an den guten Kapitalismus aka "soziale
> Marktwirtschaft" glauben, wären da bloß nicht diese Finanzjuden).
In dieser Formulierung: Zustimmung. Vermutlich werden wir uns uneinig
werden, sobald es darum geht, den Systemfehler konkret zu benennen -
mit Marxisten habe ich da eigentlich keine Schnittmenge. Aber dieser
Punkt ist mir trotzdem wichtig: Für die Fehler dieses Systems gibt es
keinen "Schuldigen" - keinen Sündenbock. Es ist ein
Konstruktionsfehler, und er bewirkt, dass sich innerhalb des Systems
moralisches Handeln nicht durchsetzen kann.
> Irgendwo gibts neben Individuum und Staat auch ne Gesellschaft. Die
> wieder in die Ökonomie zurückzuholen ist Anspruch von Marxisten wie
> mir. Daß Gesellschaft in der Diskussion garnicht mehr vorkommt zeigt
> nur die Größe des blinden Flecks.
Der Gedanke, dass die Gesellschaft Eigentümerin der Produktionsmittel
sein soll, ist mir offen gestanden zu unkonkret. Und wenn ich
versuche, ihn mir konkret vorzustellen, komme ich zu dem Eindruck,
dass das nur mit anderen, "besseren" Menschen geht. Dass man das, was
man erschaffen hat, für sein eigen beansprucht, ist, so scheint mir,
schon beinahe so etwas wie eine anthropologische Konstante.
(Natürlich kann man es verschenken oder verkaufen, aber das ist dann
eine freiwillige Entscheidung, oder sollte es sein.) Und das gilt
auch für Produktionsmittel, da ja ihrerseits erst hergestellt werden
müssen. Umgekehrt folgt daraus aber auch, dass die Motivation, etwas
herzustellen, das einem nicht gehört (oder unmittelbar durch Lohn
abgekauft wird), sehr gering ist. Kurz: Ich glaube nicht, dass in
einem System, in dem die Produktionsmittel gesellschaftliches
Eigentum sind, jemand bereit wäre, unangenehme Arbeiten auf sich zu
nehmen.
> In the final analysis gehts garnicht um die ProduktionsMITTEL,
> sondern darum, wie die Arbeitsteilung hergestellt wird. [...] In der
> Tauschgesellschaft wird zuerst privat produziert und erst hinterher
> über Tausch der Produkte die Arbeitsteilung per Versuch und Irrtum
> rekonstruiert.
Ja, das ist vermutlich wirklich die Kernfrage, wenn es um Kommunismus
vs. Marktwirtschaft geht. Das Wort "Marktwirtschaft" benennt ja in
erster Linie eine Form der Verteilung (auch darum ist es mir wichtig,
es von "Kapitalismus" zu trennen, was jedenfalls etwas anderes
benennt, egal ob man jetzt die Standarddefinition (Eigentum an
Produktionsmitteln) oder die freiwirtschaftliche Definition
(Übermacht des Geldkapitals) anwendet). Ich halte das
Zuteilungsinstrument "Markt" für unübertroffen. Es arbeitet nach
lokalen Regeln, ohne zentralistische (und IMMER korrumpierbare)
Organisation, es lässt individuelle Freiheiten und berücksichtigt
individuelle Bedürfnishierarchien. Dass es trotzdem nicht zu einer
gerechten und stabilen Wirtschaft geführt hat, ist nicht Fehler des
Marktes, sondern der wichtigen Elemente, die man dem Markt entzogen
hat: Geld, geistiges Eigentum, Boden.
> "Vorteil" kann nur in asymmetrischen Beziehungen entstehen, also
> monopolistische Verfügung über Sachen (Besitz), Information,
> physische Gewalt etc.
In einem Punkt stimme ich hier zu: Monopole können nur durch
staatliche Gewalt gehalten werden, und sind das Problem des
Kapitalismus.
> Jedenfalls sind im Kap. Arbeiter und
> Produktionsmittel getrennt. Der Arbeiter muß seine Arbeitskraft
> verkaufen, sonst verhungert er.
Warum aber muss er das tun? Meinerseits zwei Antworten: Weil ein
wachsender Anteil des Arbeitsertrags für die Bedienung des
Produktionsfaktors Geldkapital (kurz: Zinsen) verwendet werden muss,
und daher nicht genügend Geld im Umlauf bleibt, um die Arbeit
entsprechend ihrem Wert zu entlohnen. Und zweitens: Weil er, um einen
eigenen Betrieb aufzumachen, einen Kredit aufnehmen müsste, den er
sich aber nicht leisten kann, weil die Zinsen höher sind als sein
Profit.
Ich weise nur darauf hin, dass auch Unternehmer arbeiten. Und in
vielen kleineren Betrieben einen Unternehmerlohn bekommen, der nicht
gewaltig über dem ihrer Angestellten liegt. Die Dichotomie "Arbeiter
- Unternehmer" ist der zentrale, tragische Irrtum der Marxisten.
>>> (so
> > > nen großen Krieg gibts garnicht).
> >
> > Ich wünschte, ich könnte Ihren Optimismus teilen.
>
> Auf was bezieht sich Ihre Einschätzung, ich hätte da "Optimismus"?
Ich hatte Ihre Äußerung so verstanden, dass Sie einen kommenden
Weltkrieg für unwahrscheinlich halten. Das war zugegebenermaßen nicht
zwingend.
haben, nach einem Beginn, den ich als etwas aggressiv wahrgenommen
habe, zu deeskalieren und zu einer vernünftigen Diskussion zu kommen.
Das klappt ja in Foren nicht immer.
>ich tipp mir hier die Finger wund gegen Leute, die die
> essentielle Funktion des Systems als moralische Fehler seines
> Personals misverstehen (und an den guten Kapitalismus aka "soziale
> Marktwirtschaft" glauben, wären da bloß nicht diese Finanzjuden).
In dieser Formulierung: Zustimmung. Vermutlich werden wir uns uneinig
werden, sobald es darum geht, den Systemfehler konkret zu benennen -
mit Marxisten habe ich da eigentlich keine Schnittmenge. Aber dieser
Punkt ist mir trotzdem wichtig: Für die Fehler dieses Systems gibt es
keinen "Schuldigen" - keinen Sündenbock. Es ist ein
Konstruktionsfehler, und er bewirkt, dass sich innerhalb des Systems
moralisches Handeln nicht durchsetzen kann.
> Irgendwo gibts neben Individuum und Staat auch ne Gesellschaft. Die
> wieder in die Ökonomie zurückzuholen ist Anspruch von Marxisten wie
> mir. Daß Gesellschaft in der Diskussion garnicht mehr vorkommt zeigt
> nur die Größe des blinden Flecks.
Der Gedanke, dass die Gesellschaft Eigentümerin der Produktionsmittel
sein soll, ist mir offen gestanden zu unkonkret. Und wenn ich
versuche, ihn mir konkret vorzustellen, komme ich zu dem Eindruck,
dass das nur mit anderen, "besseren" Menschen geht. Dass man das, was
man erschaffen hat, für sein eigen beansprucht, ist, so scheint mir,
schon beinahe so etwas wie eine anthropologische Konstante.
(Natürlich kann man es verschenken oder verkaufen, aber das ist dann
eine freiwillige Entscheidung, oder sollte es sein.) Und das gilt
auch für Produktionsmittel, da ja ihrerseits erst hergestellt werden
müssen. Umgekehrt folgt daraus aber auch, dass die Motivation, etwas
herzustellen, das einem nicht gehört (oder unmittelbar durch Lohn
abgekauft wird), sehr gering ist. Kurz: Ich glaube nicht, dass in
einem System, in dem die Produktionsmittel gesellschaftliches
Eigentum sind, jemand bereit wäre, unangenehme Arbeiten auf sich zu
nehmen.
> In the final analysis gehts garnicht um die ProduktionsMITTEL,
> sondern darum, wie die Arbeitsteilung hergestellt wird. [...] In der
> Tauschgesellschaft wird zuerst privat produziert und erst hinterher
> über Tausch der Produkte die Arbeitsteilung per Versuch und Irrtum
> rekonstruiert.
Ja, das ist vermutlich wirklich die Kernfrage, wenn es um Kommunismus
vs. Marktwirtschaft geht. Das Wort "Marktwirtschaft" benennt ja in
erster Linie eine Form der Verteilung (auch darum ist es mir wichtig,
es von "Kapitalismus" zu trennen, was jedenfalls etwas anderes
benennt, egal ob man jetzt die Standarddefinition (Eigentum an
Produktionsmitteln) oder die freiwirtschaftliche Definition
(Übermacht des Geldkapitals) anwendet). Ich halte das
Zuteilungsinstrument "Markt" für unübertroffen. Es arbeitet nach
lokalen Regeln, ohne zentralistische (und IMMER korrumpierbare)
Organisation, es lässt individuelle Freiheiten und berücksichtigt
individuelle Bedürfnishierarchien. Dass es trotzdem nicht zu einer
gerechten und stabilen Wirtschaft geführt hat, ist nicht Fehler des
Marktes, sondern der wichtigen Elemente, die man dem Markt entzogen
hat: Geld, geistiges Eigentum, Boden.
> "Vorteil" kann nur in asymmetrischen Beziehungen entstehen, also
> monopolistische Verfügung über Sachen (Besitz), Information,
> physische Gewalt etc.
In einem Punkt stimme ich hier zu: Monopole können nur durch
staatliche Gewalt gehalten werden, und sind das Problem des
Kapitalismus.
> Jedenfalls sind im Kap. Arbeiter und
> Produktionsmittel getrennt. Der Arbeiter muß seine Arbeitskraft
> verkaufen, sonst verhungert er.
Warum aber muss er das tun? Meinerseits zwei Antworten: Weil ein
wachsender Anteil des Arbeitsertrags für die Bedienung des
Produktionsfaktors Geldkapital (kurz: Zinsen) verwendet werden muss,
und daher nicht genügend Geld im Umlauf bleibt, um die Arbeit
entsprechend ihrem Wert zu entlohnen. Und zweitens: Weil er, um einen
eigenen Betrieb aufzumachen, einen Kredit aufnehmen müsste, den er
sich aber nicht leisten kann, weil die Zinsen höher sind als sein
Profit.
Ich weise nur darauf hin, dass auch Unternehmer arbeiten. Und in
vielen kleineren Betrieben einen Unternehmerlohn bekommen, der nicht
gewaltig über dem ihrer Angestellten liegt. Die Dichotomie "Arbeiter
- Unternehmer" ist der zentrale, tragische Irrtum der Marxisten.
>>> (so
> > > nen großen Krieg gibts garnicht).
> >
> > Ich wünschte, ich könnte Ihren Optimismus teilen.
>
> Auf was bezieht sich Ihre Einschätzung, ich hätte da "Optimismus"?
Ich hatte Ihre Äußerung so verstanden, dass Sie einen kommenden
Weltkrieg für unwahrscheinlich halten. Das war zugegebenermaßen nicht
zwingend.