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  • archenoe

mehr als 1000 Beiträge seit 05.02.2004

Re: Irgendwie vergaloppiert sich gerade die gesamte "Welt"

seneca13 schrieb am 01.11.2023 11:07:

Denn das Problem, in meinen Augen, ist ein völlig anderes.

So, welches denn?

Und, für mich:
Diversität=Vielfalt, in Lebensentwürfen, Lebensstilen, Standpunkten, Merkmalen + Akzeptanz, dass wir alle Individuen sind.
Brüderlichkeit=/= Gleichheit.
Brüderlichkeit= Solidarität
Gleichheit= mit gleichen Rechten geboren
Würde = niemand darf dem anderen seine Menschlichkeit absprechen.
Rechtstaatlichkeit: setzt dies durch
Freiheit:endet immer ! wo die des anderen beginnt, sonst gäbe es s.o. nicht und wir hätten hier rechtsfreien Raum.

Vernunft und Ratio: siehe kategorischer Imperativ als Ausfluss höchster Vernunft und absolut rational.

Alles zusammen:
Bedingung für die universelle Gültigkeit von auf ethischen Grundsätzen bedingten Menschenrechten und überhaupt einer wie auch immer gearteten demokratischen Verfasstheit organisierter Gemeinwesen.

Das ist eine Zusammenfassung der bürgerlichen Ideologie, kurz, die Forderung nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit.

Warum ist es eine Ideologie?

Es ist eine Ideologie, also gesellschaftlich notwendig falsches Bewusstsein in materiellen Verhältnissen, die Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit aller Menschen systemisch und systematisch verhindern, weil sie im Kern/Wesen die Verfügungsgewalt über alle Lebensressourcen und die Entscheidungsgewalt, was mit diesen Lebensressourcen geschieht, einzig denen vorbehalten, die Kapitaleigentümer sind oder von diesen Kapitaleigentümern als Kapitalmanager eingesetzt/berufen/bezahlt werden oder deren Interessen in ineinander verwobenen staatlichen und nicht-staatlichen Institutionen exekutiert werden.

Die bürgerlichen Kaufleute und Handwerker haben im Laufe der Entwicklung Manufakturen, Industrien, Banken, Handelskonzerne usw. hervorgebracht, die sich schließlich durch Kooperation, Verflechtung und Verschachtelung im ständigen Widerspruch zwischen Kooperation und Konkurrenz zu riesigen transnationalen, von konkreten Kapitaleigentümern abstrahierenden Gebilden entwickelt haben, die Profitwirtschaft als Selbstzweck des Kapitals betreiben - Verschmelzung von Industrie, Handels- und Finanzkapital mit entsprechender staatlicher Begleitung und Unterstützung.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit sind in solchen Verhältnissen ideell, weil sie in ihnen keine materielle Entsprechung haben. Soziale Ungleichheit als Bezeichnung der fundamental unterschiedlichen Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten im permanenten Verwertungsprozess der Profitwirtschaft ist eine Verniedlichung. Es ist eine Klassengesellschaft, die kaum noch als solche erkennbar ist, weil alle gleichermaßen zur Profitmaximierung beitragen wollen, aber eben im Widerspruch zwischen Konkurrenz und Kooperation und im objektiven (nicht subjektiven) Widerspruch der sozialen Klassen der Besitzenden und Nicht-Besitzenden bzw. der Eigentümer und Lohnabhängigen.

Letztlich bewegt sich dieses Gesellschaftskonstrukt in den herrschenden kapitalistischen Verhältnissen nicht hin zur ideellen Freiheit-, Gleichheit- und Brüderlichkeit-/Schwesterlichkeit, sondern - wenn auch in wellenförmigen, widersprüchlichen und brüchigen Prozessen - hin zur materiellen Barbarei, zur Gewalt und zum Krieg.

Sie halten den Verhältnissen, die sowohl die materielle Barbarei gegen die Natur und darin gegen die Menschen erzeugen, das in ebensolchen Verhältnissen erzeugte Ideal von Freiheit/Gleichheit/Brüderlichkeit/Schwesterlichkeit entgegen, das als falsche Hoffnung der Beherrschten zur Aufrechterhaltung der Kapitalherrschaft notwendig ist. Sie können ihren ganzes Leben lang dieses Ideal fordern, ohne dass es sich in diesen herrschenden Verhältnissen realisieren ließe.

Aber, und das ist die Lebensgarantie für dieses illusorische Ideal, es wärmt ihre Seele.

Und damit die Widersprüchlichkeit der Verhältnisse perfekt ist, gilt es festzuhalten, dass keine evolutionäre oder revolutionäre Umwälzung dieser zunehmend barbarischen Verhältnisse hinter dieses Ideal zurückfallen darf, wenn die Umwälzung Aussicht auf Verwirklichung haben soll.

Wer aber nicht begreift, dass dieses Ideal zu fordern, ohne gleichzeitig eine radikale Umwälzung der materiellen Verhältnisse anzustreben, ein Phantasma produziert.

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