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Re: Die Moral des Faktischen, ... die letzte, jetzt aber wirklich ... .

JohnGeorge24 schrieb am 24.10.2023 12:43:

Ich sehe vom handelnden Menschen geschaffene Zustände, die 'in Ewigkeit' bestehen sollen, 'unantastbar' sein sollen, gar 'heilig sind', damit man selbst, die Gruppe, der man sich angehörig fühlt, Nutzen aus diesem Zustand ziehen kann. Diesen Zustand zu erhalten ist für die Nutznießer 'gut', Zuwiderhandelnde 'schlecht' oder 'böse'.

Das ist nur der Prozess, über den sich eine Moral entwickelt.
Und von "ewig" und "heilig" ist oft gar nicht die Rede, das ist eine unzulässige Zuschreibung.

Geht gut, solange man keinen Konkurrenten hat, der diesen Zustand zu 'meinem', unseren' Nachteil handelnd und Fakten schaffend verändern will. Was, wenn 'ich' selbst diesen Zustand gegen den Willen eines anderen vor einiger Zeit durchgesetzt habe?

Das ist, wie Moral durchgesetzt wird.
Das ist nicht der Inhalt von Moral.

Und hinter deiner Aussage steht die Annahme, dass Moral etwas Beliebiges ist.
Diese Annahme ist beliebt, aber falsch; es gibt einen universellen Kern, mit ungefähr diesen Punkten:
- Du sollst nicht eigenmächtig "einen von uns" töten.
- Du sollst deine Mitmenschen behandeln, wie du selbst behandelt werden willst.
- Du sollst nicht wegschauen, wenn ein Mitmensch leidet.
Die Formulierungen und die genaue Bedeutung variieren, aber dieser Kern ist (fast) in allen menschlichen Kulturen Teil der Moralvorstellungen.
Übrigens selbst bei den Nazis, die diese Vorstellungen zwar offiziell für belanglos erklärt haben, aber sie wussten genau, dass das moralisch verwerflich war - sonst hätten sie nicht so intensiv versucht, ihre Verstöße noch in der Niederlage zu vertuschen, statt die heroische Niederlage zu suchen. (Den dritten Punkt haben sie übrigens sogar anerkannt. Wer bei den Massenmorden nicht mitmachen wollte, wurde ohne jede Konsequenzen in eine andere Einheit versetzt. Der Narrativ war, dass die Judenmorde etwas Entsetzliches, aber leider Notwendiges seien - womit sie sich selbst in die Tasche gelogen haben, aber sie haben Mitgefühl nicht als etwas Negatives gewertet.)

Jede Veränderungen von Zuständen in dieser Welt kommt gegen jemanden oder etwas zustande.

Das ist unabhängig von Moral oder nicht.

Und jeder agierende Mensch sichert seine Interessen (Zustände und Handlungen) moralisch ab, denn moralisch verwerfliches Handeln kann ich, können wir negativ sanktionieren, können wir, unter außer Kraft Setzung moralischer Maßstäbe in einen, den uns nützlichen Zustand überführen, oder in ihm erhalten.

Das kann darüber funktionieren, dass man sich Ausreden und Rechtfertigungen zurechtlegt, oder darüber, dass man moralisch(er) handelt.
Meistens ist es eine Mischung. Dass Moral etwas völlig Beliebiges ist, stimmt halt nicht.

Moral ist immer interessengeleitet

Häufig, aber nicht immer.

und deshalb ist der Begriff Doppelmoral falsch. Es gibt keine den menschlichen Interessen übergeordnete Moral.

Doch, durchaus.
Wichtige Moralvorstellungen speisen sich, wie ich vermute, aus der Evolution, die den Menschen als auf Kooperation zwingend angewiesenes Rudelwesen geformt haben, und Moral ist halt das, was diese Kooperation fördert.

Um den Moralkern herum sind natürlich alle möglichen anderen, teils interessengeleiteten, teils einfach nur aus dem Kern gefolgerten oder zufällig angesammelten Moralvorstellungen entstanden, wie z.B. die, dass Sex nur der Fortpflanzung dienen dürfe (nein, das war nicht aus Machtüberlegungen heraus entstanden, das war wohl mehr der Versuch, gar zu wildes Herumpoppen mit gebrochenen Herzen und Geschlechtskrankheiten einzuhegen, plus Neidkomplexe der Zölibatäre, für die Sex ja immer was Sündiges sein musste).

Hätten wir aber gerne, zur eigenen Absicherung. Der moralische Imperativ: "„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." gilt immer

Im Grundsatz ist dieser Imperativ richtig (und auch eine Moral), aber er ist zu strikt, es gibt wichtige Ausnahmen.
Und das "nur" ist ebenfalls überzogen. Es gibt Handlungen, bei denen es keine Maxime gibt, weil es egal ist - mit welchem Bein man zuerst aus dem Bett aufsteht, beispielsweise.

und mein Handeln muss mit ihm in Übereinstimmung gebracht werden. Menschen sind sehr erfinderisch, um ihr eigenes Handeln zu begründen.

Eben.

Nein, es gibt keine von Interessen der handelnden Menschen losgelöste Moral.

Doch. Es gibt, erstens, einen Moralkern.
Zweitens gibt es im Menschen den Wunsch, in die Gemeinschaft hineinzupassen, also übernimmt man die Moralvorstellungen seiner Mitmenschen, egal, ob sie den eigenen Interessen dienen oder nicht.

Als Doppelmoral bezeichnet man den Unterschied zwischen den Zustand erhaltenden Handlungen und ihren moralischen Begründungen und den Zustand verändernden Handlungen und ihren moralische Begründungen.

Völlig falsch.
Doppelmoral ist, wenn man Anderen andere Maßstäbe anlegt als sich selbst.
Es haben Zustandserhalter Doppelmoral betrieben (wie z.B. eine Menge Priester), aber Revoluzzer haben das genauso gekonnt ("sexuelle Befreiung" und hinterher wollten die Männer einfach nur jede Frau in der Kommune poppen dürfen, ob die wollte oder nicht).

Es ist der Unterschied zwischen Morden und Töten. Es ist ein und dieselbe Handlung. Sie schafft Fakten. Die Frage ist nur, wem sie nützt. Denk an Ritualmorde. Denk an Menschenopfer. Was tun 'wir' nicht alles, um 'uns' genehme Zustände zu erhalten oder herzustellen. Das nenne ich die Moral des Faktischen.

Das ist keine Moral, das ist Faktisches.

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