Befremdlich

Ich zitiere:
"Die Kennzeichnung der Hamas als Terroristen trifft die Sachlage nicht ganz, sehen sich doch ihre Kämpfer als Freiheitskämpfer oder im Falle das Todes als Märtyrer für eine gute Sache, nämlich der Errichtung eines palästinensischen Staates."

Ich formuliere um, um zu zeigen, warum ich so etwas befremdlich finde:
"Die Kennzeichnung der RAF als Terroristen trifft die Sachlage nicht ganz, sehen sich doch ihre Kämpfer als Freiheitskämpfer oder im Falle des Todes als Märtyrer für eine gute Sache, nämlich der Überwindung des unterdrückenden, kapitalistischen Systems."

Nein. Terrorismus ist keine Selbstzuschreibung, sondern eine Fremdwahrnehmung. Die Selbstwahrnehmung der Terroristen ist allerdings relevant für ihre Bekämpfung. Mitunter kann man nämlich verhandeln und Erfolg haben, siehe etwa Nordirland.

Nun kann man mir vorwerfen, ich hätte da etwas weggelassen, nämlich dass die Hamas ja, anders als die RAF jemals irgendwo, in Gaza auch die Regierung stellt.

Aber ist Hamas dann eher mit der IRA vergleichbar?

Man kann alles miteinander vergleichen, bei Äpfeln mit Birnen ergibt der Vergleich etwa, dass es sich um eng verwandtes, aber deutlich unterschiedliches Kernobst handelt. Ein Vergleich ist nämlich keine Gleichsetzung.

Der Vergleich der Hamas mit der IRA ergibt aber zumindest für mich zu große Unterschiede.

Da die Hamas aber in ihrer Charta offen die Vernichtung Israels anstrebt und die Ermordung zumindest sehr vieler Juden dafür mindestens in Kauf nimmt, kommt mir ein anderer Vergleich in den Sinn.

Statt mit dem Deutschland der 1970er und 1980er als Vergleich zu kommen, springe ich nun gleich achtzig bis hundert Jahre nach Deutschland zurück.

Die Rechtfertigung der Hamas als etwas anderes als einer Terrororganisation erinnert mich nämlich an das Appeasement der 1930er. In Deutschland regierte damals eine, das folgende meine ich nun sarkastisch, um die damalige Verharmlosung des deutschen Antisemitismus im Ausland zu betonen, "gegenüber Juden etwas skeptisch eingestellte Partei", in diesem Punkt nicht unähnlich der Hamas.

Wohin das im Falle Deutschlands führte, wissen wir und wie die Hamas sich das so vorstellt, spätestens seit dem 7. Oktober 2023 auch.

Es gab aber wie bei den Zielen der Hamas auch objektiv legitime Forderungen seitens Deutschlands an das übrige Europa.

Die deutsche Regierung strebte etwa eine Revision der Versailler Verträge an. Dass diese Verträge gegenüber Deutschland übermäßig hart gewesen waren und die Forderung nach einer Revision daher legitim, war objektiv auch nur schwer zu leugnen, weswegen das restliche Europa hier, kriegsmüde, wie Deutschland von der Großen Depression mit erheblichen sozialen Problemen belastet, zu großen Zugeständnissen bereit war.

Man ignorierte wohlwollend bei diesem Appeasement die ganze zutiefst inhumane "Programmatik" der deutschen Regierungspartei. Das mag daran gelegen haben, dass die damals meistgedruckte Autobiographie Deutschlands wohl fast niemand wirklich gelesen hat.

Auch viele Forderungen der Palästinenser sind legitim. Aber verhandelt werden kann erst, wenn beide Seiten das Recht auf Existenz der anderen Seite anerkennen und akzeptieren, dass bei einem Kompromiss beide Seiten Zugeständnisse machen müssen.

Hamas anerkennt nicht das Existenzrecht Israels und damit sind Friedensverhandlungen zwischen Israel und Hamas nicht möglich.

So einfach ist das.

Hamas lehnt jeden Kompromiss ab. Israel war schon zu Kompromissen mit den Palästinensern bereit. Dass diese Zugeständnisse nicht ausreichend für einen dauerhaften Frieden waren, ist offenkundig. Aber sie wären ein Ansatzpunkt für Verhandlungen. Gegenüber Hamas gibt es nichts dergleichen, wegen Hamas, nicht wegen Israel.

Analogien haben ihre Tücken; Vergleiche hinken. Man kann aber aus der Geschichte nicht lernen, wenn man sie nur als Abfolge von Singularitäten sieht.

Es gibt da Muster und Trends, die sich wiederholen, auch wenn die Ereignisse selbst immer ihre Eigenheiten haben, Geschichte sich nicht wirklich wiederholt, aber immer wieder nachahmt.