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  • Karl Sten

mehr als 1000 Beiträge seit 14.08.2015

Re: Kriegsverbrechen kann man nicht mit Kriegsverbrechen legitimieren

TwoOfFive schrieb am 21.10.2023 16:45:

Ich bin gerade etwas kurz angebunden, sorry ich hab auch Privatleben ;)

Auch wenn es Teil Deiner Ausbildung war und meiner nicht: Das bloße gleichzeitige Aufhalten von Zivilisten und Militär im selben Gebiet entzieht diesen gerade nicht grundsätzlich den Schutz. Sonst wäre ja die Konsequenz das man sobald irgendwer irgendwo eine Uniform gesehen hat einfach die ganze Ecke ausräuchern könnte egal wen es trifft.

Du erwähnst ja selber ICRC, Customary Rule 14, die fordert Verhältnismäßigkeit für militärische Maßnahmen. Und die Nichtbeachtung des Unterscheidungsgrundsatzes durch die Hamas entbindet trotzdem keinen von seiner Beachtung denke ich. Das mit der Verhältnismäßigkeit die ja auch Teil von Customary Rule 14 ist da gebe ich Dir recht nicht so wirklich das was man banal nennen könnte.
Das sind in der Tat EInzelfallentscheidungen ob man ein Ziel angreifen darf oder nicht, eine grundsätzliche Freigabe auf alles zu schiessen wo Hamas Kämpfer in der Nähe sind (was diese ja rechtswidrig auch noch verschleiern wollen) gibt es so nicht.
Nach meiner Auffassung reicht eine Warnung an die Zivilbevölkerung das gleich geschossen wird (da sind die IDF wirklich vorbildlich und nein da steckt jetzt keine Häme drinnen) und die Abwälzung auf den Gegner ("Guckt ihr mal wie ihr die Zivilisten hier weg bekommt!" was die Hamas ja gar nicht will, darum ist das ja nicht so einfach ^^ ) einfach nicht aus.

Ich finde das wirklich alles andere als einfach. Für andere die mitlesen vieleicht interessant zum reinlesen:

https://www.icrc.org/en/doc/assets/files/other/customary-international-humanitarian-law-i-icrc-eng.pdf

Um es auf den Punkt zu bringen. Es geht tatsächlich um die Verhältnismäßigkeit beim Einsatz von Waffen.

Jetzt mal übertrieben dargestellt um es zu verdeutlichen.

Gibt es in einem Gebiet einen einfachen Kämpfer und 1000 Zivilisten, dann wäre es unverhältnismäßig eine 1000 kg Bombe abzuwerfen, um dabei vielleicht einen Kämpfer und 100 feindliche Zivilisten zu töten. Das wäre ein Kriegsverbrechen.

Befindet sich in dem Gebiet das feindliche Hauptquartier und könnte mit der Zerstörung der Krieg beendet und weitere Opfer verhindert werden, dann wäre der gleiche Einsatz vollkommen legitim und man nimmt den Tod von 100 feindlichen Zivilisten als Kollateralschaden billigend in Kauf.

Ja, und es gibt in diesem ganzen Bereich unheimlich viele graue Zonen, wo die eine Seite es als Kriegsverbrechen bewertet und die andere Seite eben nicht. Ob dann jemand deswegen verurteilt wird kann dann auch durchaus davon abhängig sein, wer den Krieg gewinnt.

Das hat man ja auch an den sehr unterschiedlichen Bewertungen des von Oberst Klein angeordneten Luftangriffs in Kundus / Afghanistan gesehen.

Im Krieg müssen oft Entscheidungen unter Zeitdruck und auf Basis unzureichender Informationen getroffen werden. Daher werden Handlungen oft auch anders bewertet als in einem friedlichen Umfeld.

Wenn ein Polizist im Frieden in einer unübersichtlichen Situation aus Versehen einen unbeteiligten Zivilisten erschießt, dann muss er mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Erschießt ein Soldat im Krieg aus Versehen einen unbeteiligten Zivilisten, dann hat das keine Konsequenzen. Trotzdem wird ein gut ausgebildeter Soldat vermeiden, wo immer möglich, das Zivilisten zu schaden kommen. Aber eine Garantie, dass niemand zu Schaden kommt, gibt es nicht.

Und abschließend:

Und gerade weil ich die ganze Ausbildung habe, gehöre ich zu denjenigen, die glücklich sind, solange es keinen Krieg gibt. Kriege sind schrecklich. Und trotzdem würde ich mein Land mit aller Kraft verteidigen sollte es angegriffen werden.

Der Zweck der Genfer Abkommen kann es auch nicht sein das Sterben von Zivilisten oder Soldaten im Krieg komplett zu verhindern. Aber es gibt einen für alle Seiten akzeptablen Rahmen was erlaubt ist und was nicht. Die Genfer Abkommen sind ja keine Erfindung von irgendwelchen Leuten aus dem Elfenbeinturm, sondern von Regierungen, die zu dem Zeitpunkt (1949) gerade Krieg geführt hatten und sich auch bewusst waren, dass es auch zukünftig Kriege geben würde.

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