Chechura sei Dank für seinen luziden Text, der auf mannigfache Widersprüche in den staatsoffiziellen Stellungsnahmen hinweist. Etwa die Gewichtung von Leben. In der Pandemie rief die Idee der Triage heftige Kritik hervor. Allgemein akzeptiert ist es aber, dass im Bedrohungsfall das Leben männlicher Erwachsener die geringste Wertigkeit hat. Diese Wertung ist, wie Cechura nahelegt, mindestens hinterfragungswürdig.
Eine kritische Anmerkung zu Cechuras Behandlung des Problems der Ereignisinterpunktion - wer hat angefangen? -, die von den Widersachern in einem Konflikts naturgemäss verschieden gesetzt wird. Stets ist es die je andere Seite, die mit den Verwerflichkeiten begonnen hat. In westlichen Medien ist es seit Jahrzehnten courrant normal, gewalttätige Aktionen stets von den Palästinensern ausgehen zu lassen, obwohl nicht abgestritten werden kann, dass die Palästinenser die Autochthonen, die Israelis die später Dazugekommenen sind. Schaut man sich historische Landkarten an, sieht man sofort das Fortschreiten der israelischen Salamitaktik - Scheibe für Scheibe geht von palästinensischer in israelische Kontrolle über. Das nicht objektiv legitimierbare Ziel ist offensichtlich - ein völliges Ausstossen der ursprünglichen Bevölkerung, Nakba total. Damit hält gerade die aktuelle Regierung nicht hinter dem Berg, sie hat gar eine entsprechende Karte herumgezeigt.
Es herrscht also keine Balance, man kann klar zuordnen, wer welche Rolle einnimmt. Auf Moral gestützte Argumentation blendet das aus, setzt alle Akteure gleich, ist intrinsisch ahistorisch. Der Begriff 'Staatsräson' geht noch weiter, ist gewissermassen übermoralisch. Man schaut dann nicht auf die je konkrete Lage und wer sie zu verantworten habe, sondern statuiert eine bestimmte Haltung als einzig Mögliche, angeblich im Staatsinteresse Seiende. Das steht derart fest, dass es etwa Steinmeier zur angesichts der Kräfteverhältnisse absurden Aussage getrieben hat, Israel kämpfe um seine Existenz. Es sind aber die Gaza-Bewohner, die Hunger und Durst leiden, sterben, weil Spitäler zerstört sind, die eine oder andere Operation ohne Anästhesie durchführen, weil es keine Mittel mehr gibt, aber Abertausende Verletzte. Aber die eigentümliche Staatsräson macht wohl blind dafür.