Zunächst muss man sich hier auf eine grundlegende Prämisse einigen. Sie gilt in Hinsicht auf die Beurteilung aller Kriegshandlungen, egal von welcher Seite.
Es gibt keine Rechtfertigung für das Töten von Zivilisten. Es gibt schlicht keine. Was es in Grenzfällen geben mag ist die Straffreiheit von individuellen Kommandeuren im Falle einer schlechten Informationslage.
Ein Kriegsverbrechen bleibt es und kann nicht gerechtfertigt werden.
Der wichtige Punkt ist hierbei der kategorische Ausschluss aller Kontextualisierung. Da die Hamas ihre Handlungen nicht durch die Historie rechtfertigen kann. Dann gilt das ebenso für den Staat Israel (ein Unterschied zu "Juden" was ich noch näher erläutern werde).
Es bleibt nur die Tatsachen und Handlungen zu bewerten und man bleibt ein Kriegsverbrecher auch wenn man selbst zuvor das Opfer eines Kriegsverbrechers wurde. So ist die Rechtslage, auf die sich auch der Staat Israel einliess indem er die Genfer Konventionen unterzeichnete.
Vielleicht wird es jetzt auch verständlich warum jeder nur über die aktuellen Handlungen Israels (wieder nicht "Juden) spricht und warum Antisemitismus für einen kritischen Beobachter keine Rolle spielt.
Keiner der sieben Hörerinnen und Hörer, deren Anrufbeantworter-Nachrichten eingespielt wurden, erwähnte auch nur ansatzweise den Terroranschlag.
Bei der Bewertung ob die aktuelle Vorgehensweise verbrecherisch und inhuman ist, spielt es keine Rolle ob man über den Terroranschlag spricht. Siehe die Prämisse oben.
Außerdem der Staat Israel ist keineswegs gleichzusetzen mit dem Judentum oder "den Juden", jeder der sich längere Zeit damit beschäftigt weiss das. Vor alllem auch weil viele, sehr viele jüdische Organisationen ebenfalls die Handlungen des Staates auf Schärfste verurteilen. Dies sind auch jüdische Stimmen, sind auch Mitglieder dieser Gemeinschaft und sie teilen die Meinung vieler die dem Staat vorwerfen Kriegsverbrechen zu begehen.
Damit dürfte nun hinreichend klar sein, warum der Vorwurf des Antisemitismus ebenso ein unkritisches, undifferenziertes Totschlag-Argument ist, wie es in jüngster Vergangenheit z.b. der Vorwurf "Putin-Versteher" war. Es ist eine Verkürzung, eine Vermischung und überschreitet die Linie in unserer Eingangsprämisse indem es ein Verbrechen entschuldigt wenn man nur den Feind ausreichend dämonisiert.
Stattdessen wird wieder einseitig der Staat Israel als Täter verantwortlich gemacht, teilweise regelrecht dämonisiert. Das ist auch den Verantwortlichen des Senders aufgefallen.
Warum sollte jemand anders die Schuld tragen ? Der Staat Israel ist der Akteur mit der Initiative, das Milität ist buchstäblich frei in dem was sie entscheidet und daher auch voll verantwortlich für seine Entscheidungen. Es gibt keine Rechtfertigung für Kriegsverbrechen, der Staat Israel begeht sie obwohl sehr viele andere Optionen zur Verfügung stehen.
Es sei aber nicht möglich gewesen, einen Beitrag zu senden, der Empathie mit den Opfern des antisemitischen Terrors zeige, weil es diese schlicht nicht gebe, betonten die Verantwortlichen des Deutschlandfunks, dem ja der Ruf vorauseilt, eher linksliberal zu sein.
Wie bereits dargelegt spielt die Vorgeschichte, ebenso wie für die grausamen Anschläge der Hamas, bei den aktuellen Entwicklungen keine Rolle. Zu Erwarten das man bei jeder Äusserung zunächst seine Betroffenheit angesichts der Tragödie vom 7.10. zum Ausdruck bringen muss nur um nicht in den Verdacht zu geraten gar nicht Betroffen zu sein und womöglich sogar Antisemit, ist sehr spitzfindig, anmassend und auch wieder eine Verkürzung/Vermischung.
Schräge Vergleiche: Im Arbeitskampf wird nicht gemordet
[...]
Wirklich ? Das es natürlich auch Leute gibt deren Fähigkeiten zu einer kritischen Analyse nicht ausreichend sind um sie ernst nehmen zu können scheint ihnen nicht in den Sinn zu kommen. Sie repräsentativ (im Hinblick auf den Gesamttextkörper und der Menge an Text die sie hierauf verwenden sogar überrepräsentativ) heraus zu greifen ist ein sehr rabulistischer und sophistischer Ansatz. Auch hier wieder eine Vermischung, ein Einzelner mit der Analyse überforderter dient ihnen als Grundlage die Reaktionen in Bausch und Bogen einer einzelnen Stossrichtung zuzuordnen. Ach, wie schön waren doch die Zeiten als nur konservative Kräfte mit aller Gewalt sich ein möglichst simplistisches Feindbild zu basteln suchten.
Ein solcher Relativismus findet sich auch in Teilen der gesellschaftlichen Linken. Da wollen sich manche in einer Vorbesprechung zu einer Veranstaltung in Berlin nicht einmal darauf einigen, dass es ein linker Minimalkonsens sein muss, dass alles getan werden muss, um die Hamas zu zerschlagen. Manche Linke wollen dann gar nicht mehr über das Thema reden.
Dabei müsste jeder gesellschaftlichen Linken nicht erst seit den Morden der letzten Woche klar sein, dass die Hamas eine extrem reaktionäre Organisation ist, die der Feind aller emanzipatorischen Bestrebungen ist.
Sie verfolgt Minderheiten, Frauen und ist der Todfeind der Juden. Deshalb sollte es eigentlich zum linken Minimalkonsens gehören, dass eine Welt ohne Hamas eine bessere Welt wäre, nicht nur für die Juden, sondern auch für die Menschen in Gaza, die mit der Hamas nichts zu tun haben wollen.
Es wird gerne vergessen, dass sich die Hamas nur mit Terror an der Macht halten kann, auch gegen die palästinensische Bevölkerung, die nicht auf ihrer Seite ist. Deshalb hat der Slogan "Free Gaza from Hamas" Bedeutung.
All das ist richtig, aber leider bei der Bewertung und der Beurteilung der Handlungen seitens des israelischen Staates und Militärs absolut und völlig irrelevant. Abgesehen vom allerletzten Satz ("Deshalb hat der Slogan "Free Gaza from Hamas" Bedeutung."). Aber auch hier stellt sich die Frage ob die Handlungen seitens des Staates Israel etwas beitragen ?
Sie ähneln doch sehr dem amerikanischen "War on Terror", der nach 20 Jahren, je nach Quelle eine Verdopplung der aktiven Terroristen und eine Verfünf- bis Verzehnfachung der passiven Unterstützer zur Folge hatte. Die Hamas wird, wenn man scharf überlegt durch den aktuell eingeschlagenen Kurs nicht nur nicht vernichtet. Sie wird daraus mittelfristig stärker als zuvor hervorgehen.
Es bleibt also nur zu konstatieren. Der Staat Israel, durch dessen momentan individuell Verantwortliche, handelt verbrecherisch und, im Hinblick auf das Ziel, dumm und kontraproduktiv.
Es darf aber auch nicht übersehen werden, dass ein Teil der Bevölkerung im Gazastreifen nicht nur die Hamas gewählt hat, sondern teilweise bis heute deren antisemitische Politik verteidigt.
Nur so ist es möglich, dass israelische Geiseln im Triumphzug durch Wohngebiete in Gaza gefahren werden. Dabei hat die Hamas in den letzten Jahren gezeigt, dass sie am Wohlergehen der Bevölkerung dort kein Interesse hat. Das hat das Pogrom der letzten Woche gezeigt.
Zuvor war es im Gazastreifen einigermaßen ruhig und die israelische Regierung ließ auch mehr wirtschaftliche Kontakte zu, was dazu führte, dass sich das Leben vieler Menschen nicht weiter verschlechterte. Das Pogrom hat diese Normalisierungsprozesse natürlich abrupt unterbrochen.
Sicher, ein Teil der Bevölkerung in Gaza ist radikal, was wohl kaum eine überraschende Einsicht für irgendjemand darstellt. Dennoch sind die überwiegende Mehrheit entweder zu jung (das Durschnittsalter ist 36, was einen hohen zweistelligen Prozentsatz von Kindern bedeutet) oder nicht einmal passiver Unterstützer der Hamas. Nur als Erinnerung, die Wähler die der Hamas 2006 zur Macht verhalfen machen heute, 17 Jahre später nur 7% der Bevölkerung aus.
Wenn also auch nur ein Teil der Betroffenen Zivilisten ist, dann sind wir wieder zurück bei der Eingangsprämisse. Nichts was Israel getan hat rechtfertigt die Grausamkeiten der Hamas vom 7.10. Aber auch nichts was die Hamas getan hat rechtfertigt die aktuell geschehenen und geplanten Grausamkeiten des Staates Israel.
All die schlimmen Extremen im Gazastreifen aufzuzählen hat keine andere Funktion als zu rechtfertigen was nicht zu rechtfertigen ist. Wer den Blutzoll einer Seite mit dem der anderen aufzurechnen versucht hat seine Menschlichkeit bereits verloren.
Genau das wird von der Hamas nicht nur in Kauf genommen, sondern direkt provoziert. Denn die Hamas und auch ihre islamistischen Verbündeten im Iran sind ein klarer Feind jeder Normalisierung. Deshalb sollte eine gesellschaftliche Linke zumindest klar formulieren, dass ein Ende der Hamas und ein Sturz des iranischen Islamismus eine positive Entwicklung wäre.
Ich denke das auch hier wieder verkürzt und vermischt wird. Denn es gibt hier kein entweder oder. Der Schutz palästinensischer Zivilisten ist keine Duldung der Hamas. Nur weil man Bombardierungen ablehnt und zu Recht verurteilt ist man kein Freund der Hamas. Ebensowenig ist man Antisemit und es ist intelektuell unredlich zu implizieren das eine sei gleichbedeutend mit dem anderen.
Immerhin sind dafür im letzten Jahr zehntausende Menschen, darunter viele Frauen, auf die Straße gegangen. Natürlich ist es ein Dilemma, dass eine Zerschlagung der Hamas durch die israelische Armee auch Opfer im Gazastreifen fordern würde, auch wenn die israelische Armee bemüht ist, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden.
Die israelische Armee ist mitnichten auch nur interessiert daran zivile Opfer zu vermeiden. Die "Belagerung" wie sie eingangs geplant war dokumentiert dies bereits hinreichend. Denn die Kappung jedweder Versorgung ist nichts anderes als die Zivilbevölkerung zum Ziel zu machen. Die ersten die unter dieser Massnahme leiden sind Kranke, Alte und die kleinsten der Kinder, die besonders Schutzwürdigen also. Ebenso ist an mehreren Stellen zu hören das keinerlei Rücksicht auf "menschliche Schutzschilde" genommen wird.
Auch hat die Offensive und die aktuellen Operationen nichts mit "der Zerschlagung der Hamas" zu tun. Es ist geradezu illusorisch zu glauben denselben Wahnsinn der letzten 20 jahre nur noch intensiver zu wiederholen würde plötzlich das gegenteilige Ergebnis bringen, statt die Hamas zu stärken indem man ihr mehr Rückhalt verschafft sie plötzlich zu zerschlagen.
Die aktuell stattfindenden Kriegsverbrechen des israelischen Militärs als notwendig, zielführend oder gar erfolgsversprechend darzustellen ist leider nicht nur eine Vermischung und Verkürzung sondern schlichte Blindheit und Unfähigkeit aus der allerjüngsten Geschichte auch nur die grundlegensten Schlussfolgerungen zu ziehen.
Denn bei allen Beteuerungen, dass die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson sei, wird eben deutlich, dass für viele Israel auch nach diesen Pogromen immer noch und immer wieder an allem schuld ist.
Hier hören sie schlicht nur noch was sie hören wollen. Israel ist nicht an allem Schuld, aber nur weil es sich um Israel handelt heist das nicht das es immer unschuldig ist. Auch israelische Politiker können Verbrecher sein, obwohl sie Juden sind. Sie leiden an einer ganz gewöhnlichen Form von verkrampftem positiven Antisemitismus. Sie haben Angst vor Kritik weil es Juden sind. Aber Juden sind ebenso Menschen die Fehler machen. Juden können ganz herausragende Mitmenschen sein, aber eben auch manchmal einfach ein Arschloch oder Rassist. So wie wir Deutschen, die Ukrainer, die Russen oder die Amerikaner und nicht zu Letzt auch die Palästinenser. Trotzdem, oder gerade deshalb, ist jedes Kind, jeder Alte oder andere Zivilist schutzwürdig und verdient im gleichen Maße unser Mitgefühl.
Das hat Konsequenzen für mögliche Verhandlungsansätze. Mit der Hamas gibt es nichts zu verhandeln, genauso wenig wie mit dem NS-Regime.
Völlig richtig.
Erst die bedingungslose Kapitulation der Nazis und ihrer Verbündeten machte den Weg frei für mögliche emanzipatorische Entwicklungen. Das ist im Ukraine-Russland-Konflikt nicht der Fall.
Leider aber nicht zu Ende gedacht. Denn auch wenn die Hamas zweiffellos dieselben verabscheungswürdigen Ideen wie der NS Staat vertritt ist die Hamas eben nicht das gleiche. Eine solche Gleichsetzung ist ein Schlag ins Gesicht für die Opfer des Holocaust. Der NS Staat war eine Monstrosität mit einem der repressivsten Polizeiapparate und einem Militärapparat der zeitweilig als unschlagbar galt mit einem beispiellosen und erschreckend hohen Rückhalt in der Zivilbevölkerung.
Nur weil Hamas und Nazis dasselbe wolllen sind sie nicht das Gleiche und es braucht auch nicht diesselben Mittel, noch nicht einmal denselben Ansatz. Die Hamas tut was die RAF getan hat (wobei die Hamas wesentlich rückhaltloser, grausamer und grösser ist). Sie versucht Israel dazu zu verleiten ein so hässlicher Staat zu werden das die Hamas immer mehr Zulauf bekommt, immer mehr Unterstützung. Gerade weil sie diese eben nicht hat, im Gegensatz zu den Nazis. Gerade weil sie nicht über diesselben Mittel und Ressourcen verfügt.
Die Hamas tut dies mit den grausamsten und unmenschlichsten Mitteln. Die Antwort ist aber eben nicht mit Grausamkeit zu antworten, auch nicht mit ihr zu verhandeln. Sondern die Antwort wäre ihnen den Rückhalt zu entziehen, die Möglichkeit zu rekrutieren. Dies erreicht man nicht indem man Eltern, Brüder, Schwestern von Palästinensern durch Raketen in Fetzen reisst. Das ist nur derselbe Unsinn den die USA mit dem "War on Terror" "erreicht" hat.
Man erreicht dies nur, einzig und allein, indem man Palästinenser wie Menschen behandelt, ihnen Rechte zugesteht und wenigsten eine Chance auf ein friedliches Dasein eröffnet. Etwas das israelische Politiker vielleicht mal ausprobieren könnten.
Man erreicht es nicht indem man auf die Taktik der Hamas hereinfällt, indem man sich zu Kriegsverbrechen provozieren lässt und sich auf ihr Niveau herablässt. Man erreicht es nicht indem man ein System der Apartheid installiert. Man erreicht es nicht indem man alle Palästinenser genauso behandelt wie die Hamas es von einem behauptet.
Man muss so handeln das die Hamas als kreigstreiberische Extremisten, die sie sind, entlarvt wird und nicht indem man ihr durch seine Handlungen recht gibt.
Man kann israelische und palästinensische Opfer betrauern. Man kann die Handlungen der Hamas und des israelischen Militärs gleichermassen verurteilen. Dies ist nicht nur kein Widerspruch sondern es ist die einzigste Sicht der Dinge die sowohl humanistisch als auch im Einklang mit dem Völkerrecht steht.
Tut man dies nicht, steht man nicht nur im Widerspruch zum Völkerrecht, man leistet auch einer Verlängerung des Konflikts Vorschub indem man die Fehler der Vergangenheit wiederholt.
Nicht der Letzte der geschossen hat wird diesen Konfilkt gewinnen, sondern beide Seiten werden weiterhin so lange immer wieder verlieren bis nicht eine Seite die Grösse hat ehrlich die Hand zum Frieden zu reichen. Leider, so wie die Machtverhältnisse sich gestalten ist die Partei die den Ersten Schritt machen muss Israel. Palästinenser haben keine Macht über Israelis, aber Israelis haben fast alle Macht über Palästinenser. Daher ist es eben so traurig das israelische Politiker einfach diese Lektion nicht lernen wollen. Sie könnten nach Südafrika, nach Indien oder ein Dutzen anderer Länder schauen. Niemals hat es Frieden gegeben bevor nicht der Stärkere nachgegeben hat.
Deswegen ist es so traurig, nicht weil man Israel etwas Böses wünscht oder Antisemit wäre. Sondern weil Israel aktuell nur eine weitere Runde desselben Spiels eröffnet und wieder diesselben Fehler macht.