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Aber das Problem ist weitaus grundlegender als daß die Befestigung an einzelnen Personalien es offenbaren könnte. Selbst die Fokussierung allein auf die Internet-Konzerne dringt nicht unter die Oberfläche, denn die Shareholder haben ihre Pakete und damit gespreizte Gewinnoptimierungsstrategien. Die Internet-Konzerne sind nur ein Werkzeug, neben Finanz-Konzernen, Big-Pharma, Misch-Konzernen, etc.. Und CEOs kommen und gehen. Deshalb anbei, denn es ist ein systemisches und tatsächlich selbstmörderisches System:
Die Selbstdemaskierung der neoliberalen Mitte
Der Neoliberalismus ist, in all seinen Spielarten und Schattierungen, historisch aus dem Bemühen erwachsen, den Kapitalismus vor einer »demokratischen Bedrohung« zu schützen. Er ist und war also seit seinen Anfängen unmissverständlich und entschieden antidemokratisch. Dennoch hat er es vermocht, seine »neue ultra-inegalitäre Erzählung« als reine Rationalität auszugeben, durch die allein man den »Sachzwängen« und wirtschaftlichen »Naturgesetzlichkeiten« einer komplexen Gesellschaft Rechnung tragen könne. Mit dieser Verschleierung seines eigentlichen Anliegens gelang es ihm, sich als Ideologie nahezu unsichtbar zu machen und einen Platz in der politischen Mitte zu sichern. In dieser Maskierung konnte er sich global in allen meinungsprägenden Schichten eine Breitenwirkung verschaffen, wie sie keine totalitäre Ideologie je zuvor erreicht hat.
Seinem Projekt einer radikalen Entdemokratisierung hat er durch seine privatwirtschaftliche Usurpation der Rechtssetzung geradezu einen Ewigkeitsstatus verschafft. Mit transnationalen Großkonzernen schuf er eine neue Klasse von Akteuren die formal abgesicherte Freiheitsrechte erhielten, die weit über Rechte natürlicher Personen hinausgehen. Diese Akteure genießen einen einzigartigen Schutz vor öffentlicher Transparenz und staatlichen Eingriffen in ihre Arbeitsbereiche. Sie haben die Rechte von Übermenschen erhalten, und sind jeder gesellschaftlichen Verantwortlichkeit und Kontrolle entzogen. Sie sind rechtlich verpflichtet, sich gesellschaftlich pathologisch zu verhalten, Macht und Reichtum zu maximieren und zugleich eigene Kosten zu externalisieren, also auf die Allgemeinheit abzuwälzen. So entstanden in den vergangenen Jahrzehnten die totalitärsten globalen Strukturen, die der Mensch je geschaffen hat. Ihre globale Vernetzung hat die eigentlichen Zentren der Macht einer Verstehbarkeit durch die Öffentlichkeit entzogen und sie damit gleichsam unsichtbar gemacht. Indem Herrschaft zunehmend anonymisiert wurde, entfällt die Möglichkeit, Verantwortlichkeiten zuzuweisen und damit auch grundsätzlich die Möglichkeit demokratischer Kontrolle.
Die neoliberale Revolution der Kapitalbesitzer entwand die Gewalt der Rechtssetzung Stück für Stück dem demokratischen Souverän und beförderte die ökonomischen Zentren der Macht auf nationaler wie internationaler Ebene zu Selbstversorgern mit Gesetzen. Damit war die Grundlage geschaffen, dass innerhalb vordergründig demokratischer Gesellschaften autoritär organisierte Stabilitätskerne für die tatsächlichen Zentren der Macht entstehen konnten. Diese neoliberalen Stabilitätskerne sind durch formales Recht so stabil und bombensicher gegen demokratische Eingriffe abgeschottet worden, dass auch die verbliebenen formalen demokratischen Strukturen de facto einen politischen Gestaltungswillen der gesellschaftlichen Basis ins Leere laufen lassen und die periodischen Wahlen nur noch Teil einer Unterhaltungsindustrie sind.
Indem es dem Neoliberalismus weitgehend gelang, der demokratischen Basis die Souveränität einer Selbstgesetzgebung zu entziehen und die legislative Souveränität auf die ökonomischen Zentren der Macht zu übertragen, benötigt er in seinem Kampf gegen die Demokratie keine konterrevolutionären autoritären Systemwechsel mehr, wie etwa, in seinen politischen Anfängen, 1973 in Chile. Die verbliebenen formalen demokratischen Strukturen werden schleichend in der Wucht seines Zersetzungswerkes verwittern und zerfallen, ohne dabei noch große Aufmerksamkeit zu erregen. Damit stirbt auch die Leitidee der Demokratie als radikale Vergesellschaftung von Macht, eine der größten zivilisatorischen Errungenschaften der Menschheit. Und mit ihr zerfallen die mühevoll und verlustreich erkämpften zivilisatorischen Sicherungsbalken gegen das Recht des Stärkeren.
Mit der Beseitigung oder Neutralisierung noch verbliebener demokratischer Strukturen vollendet der Neoliberalismus sein Werk einer Zerstörung unserer Gesellschaft und unserer Lebensgrundlagen und leitet zwangsläufig eine Epoche seiner eigenen Selbstzerstörung ein, in der die vorgeblichen »Naturgesetzlichkeiten des Marktes« in einen gewaltigen zivilisatorischen Regress einer Rückkehr zur »Naturgesetzlichkeit des Recht des Stärkeren« münden werden. Der Neoliberalismus hat in der Maske der politischen Mitte den Weg in eine Neobarbarei geebnet, deren düstere Konturen bereits in den globalen und gesellschaftlichen Peripherien aufscheinen.
(Rainer Mausfeld, Die extreme Mitte, Wer die westliche Welt beherrscht. Eine Warnung, 2020)