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mehr als 1000 Beiträge seit 12.09.2014

nicht neu

Das "Menscheln" in der Wissenschaft, die Fehden und Kleinkriege, die gegenseitige Desavouierung, etc. gab es prinzipiell schon immer. Man sehe sich alleine die Auseinandersetzungen Edison vs. Westinghouse / Tesla an, oder Robert Koch vs. Louis Pasteur...

Neu ist eher, dass diese Grabenkämpfe nicht mehr nur vor "wissenschaftlichen Eliten", vor dem ausgewählten Publikum der nationalen Akademien (der Wissenschaften) ausgetragen werden, nicht mehr nur auf Kongressen und im Briefwechsel, damals noch halb-öffentlich durch Publikation in Fachblättern, sondern zunehmend vor Laien und einer interessierten Öffentlichkeit.

Zugleich werden die Bandagen härter, während der Tonfall immer mehr "political correct" wird. Wo sich die Granden noch beschimpft und direkt miteinander auseinandergesetzt haben, von den Fachkollegen aber weitestgehend ohne Einmischung zur Kenntnis genommen und im Kräfteverhältnis zumeist eher pari bis zur tatsächlich wissenschaftlichen Anerkennung oder Verwerfung der Postulate, wird heute subtiler vorgegangen und v.a. das Publikum viel mehr einbezogen, dessen Meinung es zu beeinflussen und zum Richtschwert über wissenschaftliche "Wahrheit" zu machen gilt. (Wobei gerade Edison hier ein Vorreiter der publikumswirksamen Inszenierung und der öffentlichen Diskreditierung war und dafür auch schon mal einen Elefanten exekutierte... damals halt noch ohne youtube.)

Es geht nicht mehr darum, ob das Postulat, die Theorie, bestätigt oder widerlegt werden kann, sondern einzig darum, was "Konsens" ist, neuerdings sogar noch "gesunder Menschenverstand", aber auch zunehmend ideologische Linie, und v.a. wer mit welchem ideologischen, wirtschaftlichen oder politischen Hintergrund es aufgestellt hat.

Im Sinne der neuen "cancel culture" sind wir ja derzeit kräftig dabei, kulturelle, aber wissenschaftliche, Errungenschaften und Erkenntnisse ob ihrer nicht ideologisch genehmen Hintergründe zu verwerfen und zu verdammen. (Beispiel von Anne DeLessio-Parson von der Portland State University, respektive Brittany Marshall, Rutgers University: Mathematik wurde/wird durch hyperprivilegierte, alte, weiße Männer dominiert und ist damit per se rassistisch - somit gilt es, alle Mathematik zu brandmarken und aus der öffentlichen Wahrnehmung zu entfernen... 2+2=4 ist damit purer Rassismus, weil einzig eine kulturelle Vorstellung der Weißen.)

Streng demokratisch - wer die Mehrheit auf seiner Seite hat, hat Recht, auch wenn er im Unrecht ist.
Ob dies jedoch im Sinne wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns tatsächlich förderlich ist, bleibt zu bezweifeln...

Insofern stimme ich der Skepsis bzgl. der Verknüpfung von Wissenschaft und Öffentlichkeit schon zu, aber wünsche mir eben auch keine Wissenschaft zurück, die komplett abseits der öffentlichen Wahrnehmung im Elfenbeinturm nur für ihresgleichen zugänglich ist und sich aus dieser Position heraus zu technokratischem Machtstreben berufen fühlt. "Geheimwissenschaften" hat es lange genug gegeben und sie haben lange genug den tatsächlichen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn aufgehalten und verlangsamt.

Warum ist es immer noch so schwierig für Laien an Anatomie- und Medizin-Fachbücher zu gelangen, oder an Fachliteratur mit tatsächlicher Abbildung von physiologischen Befunden? Warum die ganze Diskussion um Gunther von Hagens? Weshalb sind z.B. seine Videos bei youtube so schwer auffindbar, bzw. in DE gesperrt? Nur weil darin tatsächlich mal Sektionen gezeigt werden? Was ist daran so geheim, dass die deutsche Öffentlichkeit es nicht sehen darf? Oder muss gerade der menschliche Körper ein Geheimnis bleiben, das sich nur eingeweihten "Wissenschaftlern" offenbart und das demjenigen, dem dieser Körper gehört gefälligst vorzuenthalten ist?! Warum ist der Tod heute nicht mehr Bestandteil des Lebens, warum wird er wieder mystifiziert und versteckt?
Ok, ich schweife ab...

Aber wie wollen wir Selbstwahrnehmung erwarten, wenn die Entfremdung vom Selbst immer mehr zur gesellschaftlichen Doktrin wird, wenn Selbstreflektion nicht mehr erwünscht ist, wenn selbst in der Isolation der Konsum im Vordergrund stehen soll, statt dem Befassen mit sich selbst, seiner Psyche, seiner Physis, der Gesellschaft und der eigenen Stellung und Perspektive darin...? Da hilft auch alle "Entschleunigung" nicht, wenn statt des alten Hamsterrades der Produktivität ein neues des Konsums aufgestellt wird und zugleich die mediale Propaganda hochgefahren, sodass demnächst weder Tatort noch Hollywood ohne Masken und Corona-Botschaft auskommen. "Neue Normalität" halt...
Der (heutige?) Mensch hat einfach zu funktionieren und seine Pflicht zu erfüllen, von der Produktivität bis zum Konsum, und gefälligst nicht über mögliche Veränderungen nachzudenken!
Und damit das gelingt, wird er manipuliert, in Angst versetzt vor etwas von ihm nicht wahrnehmbaren, vor einer ungewissen Bedrohung, ob Virus oder Jobverlust, ob wirtschaftlichem Ruin oder gesellschaftlicher Ausgrenzung, oder aber belohnt mit Brosamen, oder einfach nur der Nicht-Anwendung der drohenden Strafe, für besonders "staatstragendes" Verhalten, für vollständige Subordination.

Und hier kommt wieder die Wissenschaft ins Spiel, die instrumentalisiert wird, sich aber auch zunehmend gerne instrumentalisieren lässt - wirtschaftliche Abhängigkeit als Motivation reicht dazu schon aus -, um genau diese Manipulation voranzutreiben.

Eine Wissenschaft abseits der Öffentlichkeit birgt aber die Gefahr, dass diese Manipulation nicht mehr erkannt werden kann und die "Mächtigen" können letztlich dem ungebildeten Pöbel alles verkaufen, begründet mit "Wissenschaft".

Auch die Theologie war seinerzeit mal eine "Wissenschaft", deren "Erkenntnisse" sich vortrefflich nutzen ließen, das Volk im Zaum und "funktional" zu halten, sprich die eigenen Vorteile daraus zu ziehen. Und der Erkenntnisprozess war so geheim, dass seine Ergebnisse gar unantastbar und unkritisierbar wurden...

Wollen wir wirklich "der Wissenschaft" wieder einen solchen Stellenwert einräumen, verborgen im Hinterzimmer Erkenntnisse zu gewinnen, die dann ex cathedra dem plebs verkündet werden und die er gefälligst nicht zu hinterfragen hat, weil ja dumm und ungebildet?!

Sorry für den überlangen post, aber das Thema hat mich doch mitgerissen, weil ich eben weder eine alleine auf öffentliche Wirksamkeit ausgerichtete, noch eine okkulte und intransparente Wissenschaft wünsche, weil beides sich zu leicht als Instrument der Massenmanipulation missbrauchen lässt.

Transparenz und v.a. "vermittelnde Wissenschaft", deren Ziel es ist, nicht nur Erkenntnis zu gewinnen, sondern diese auch der breiten Masse zugänglich zu machen, wären m.M.n. ein gangbarer Weg - und interessanterweise waren da die ehem. Ostblockstaaten, gerade was die "Volksbildung" im wissenschaftlichen Bereich und die Begeisterungsfähigkeit für wissenschaftliche Themen angeht, deutlich weiter, als wir im Westen es in absehbarer Zeit jemals sein werden, und das ganz ohne die neuen "explorativen" Nicht-Museums-Konzepte (wobei ich den Weg, den man in Kensington einschlägt noch für den pädagogisch aussichtsreichsten halte, während das meiste, was diesbezüglich in DE (dafür aber hier privatwirtschaftlich betrieben!) zustande kommt, eher Entertainment ist und auf Showeffekte setzt, ohne wirklich Hintergründe auch nur vermitteln zu wollen).

Gut, genug der Abschweiferei; und damit Ende meines posts...

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