Meiner Meinung nach ist das meiste das die Politiker, Generäle und andere "Experten" in die Öffentlichkeit posaunen größtenteils eher taktisch als faktisch motiviert und sollte nicht überbewertet werden. Z.B. dass die Präsidenten beider Kriegsparteien ungefähr bis eine Sekunde vor Verhandlungsbeginn jegliches Verhandlungsinteresse abstreiten und (scheinbar) unbeirrt ihre Maximalziele ausgeben werden ist doch völlig nachvollziehbar. Keiner möchte Schwäche zeigen und seine Verhandlungsposition verschlechtern.
Entscheidend werden aber letztlich die langfristigen geostrategischen Überlegungen Russlands, der EU und den USA sein. Auch Chinas Position könnte interessant sein, obgleich sie sich nicht direkt in den Konflikt einmischen wollen und werden.
Meine Einschätzungen:
Die EU möchte auf jeden Fall dass die Ukraine weiterexistiert als Pufferstaat zu Russland und ist dafür zu hohen Investitionen bereit. Mit einer Einfrierung des Konflikts an der aktuellen Frontlinie könnte sie wahrscheinlich leben, denn auch diese verkleinerte Ukraine wäre immer noch ein großer Puffer.
Die USA sind wie in einigen anderen russischen Anrainerstaaten auch in der Ukraine seit Jahren recht aktiv, aber dennoch Lichtjahre entfernt von "all-in"-Gehen. Auch in diesem Krieg scheinen sie sich doch sehr zurückzuhalten (gemessen an dem was möglich wäre). Man tut genug um Russland in einen längeren, verlustreichen Krieg zu verwickeln und bei Friedensverhandlungen am Tischende sitzen zu dürfen. Mehr aber auch nicht. Die USA werden am Ende entscheiden wann der Zeitpunkt für Verhandlungen von ukrainischer Seite gekommen ist.
Russland wähnt (vermutlich zurecht) die Zeit auf seiner Seite und hätte damit möglicherweise die Option die Eroberung bis zum Ende durchzuziehen. Allerdings wäre der Preis dafür in jeglicher Hinsicht wahnsinnig hoch. Langfristig betrachtet scheint dieser gesamte Angriffskrieg unterm Strich selbst bei einem militärischen Sieg unverhältnismäßig kostspielig zu werden. So gesehen wäre es durchaus vorstellbar, dass auch Putin (nachdem die aktuelle Offensive zum Stillstand gekommen sein wird) verhandlungsbereit sein könnte. Andererseits hätte er infolge eines Friedensschlusses keine weitere (realistische) Chance sich den Rest der Ukraine einzuverleiben, sie wird nämlich höchstwahrscheinlich in der NATO landen.
Ich persönlich hoffe (schon seit vielen Monaten) auf baldige Friedensgespräche und bin gerade irgendwo zwischen "skeptisch" und "vorsichtig optimistisch" anzufinden. Wer wieviel Land bekommt ist mir dabei relativ egal. Hauptsache es wird nicht mehr sinnlos getötet und unser Land kann seine Energie wieder konstruktiver verwenden statt seine Bürger "kriegstüchtig" machen zu wollen.