Selenskyi hat recht, die Situation an der Front ist kein Patt. Damit steht er nicht im Widerspruch zu Zalushnyi, der nicht von einem Patt (deadlock), sondern von Stellungskrieg (positional warfare) gesprochen hat.
Ein Patt im Schach bedeutet, daß der Spieler keinen Zug mehr machen kann, auch wenn er nicht im Schach steht. Von dieser Situation ist die Ukraine weit entfernt. Sie konnte im Sommer nicht wie erwartet und gehofft vorrücken. Das bedeutet nicht, daß sie keine Optionen mehr hat und am Verlieren ist. Auch wenn hier die üblichen Verdächtigen aus dem Triumphieren gar nicht mehr rauskommen: Die Lage an der Front ist für die Ukraine um Größenordnungen besser als vor anderthalb Jahren.
Damals waren Severodonetsk und Lyssychansk gefallen, die Russen rückten im Osten und im Norden vor, die Ukrainer mußten auch Lyman aufgeben. Die Großstädte Kramatorsk und Sloviansk wurden vom Norden aus beschossen, Kharkiv erlebte einen täglichen Bombenterror. Die Prorussen träumten von einem Riesenkessel zwischen Izium und dem Süden und waren sich auch damals schon hundertzehnprozentig sicher, daß die Kapitulation der Ukrainer unmittelbar bevorstand. Bekanntlich ist es anders gekommen.
Haben die Ukrainer damals aufgegeben? Nein. Im Gegenteil, sie haben die Hälfte der illegal besetzten Gebiete befreit. Werden sie jetzt aufgeben? Nein. Die Russenpropaganda feuert zur Zeit wieder aus allen Rohren, und es gelingt ihr, Idioten von "Journalisten" im Westen weichzukochen - die Lage an der Front wird das erst ändern, wenn die westliche Politik den Ukrainern in den Rücken fällt. Und selbst dann werden die Ukrainer nicht einfach kapitulieren. Putin und sein Gefolge haben noch lange nicht gewonnen.